Schwächung der Mieter:innen?

Abstimmungsvorlagen vom 24. November 2024

Am 24. November 2024 stimmt die Schweiz unter anderem über zwei mietrechtliche Vorlagen ab, nachdem das Referendum gegen die geplanten Gesetzesänderungen ergriffen worden ist.

Das Stimmvolk wird darüber entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Untermiete verschärft und die Anforderungen für die Kündigung zum Eigenbedarf herabgesetzt werden sollen.

Verschärfung der Voraussetzungen für die Untermiete

Stand heutiges Recht ist die Untermiete in Art. 262 OR wie folgt geregelt:

1 Der Mieter kann die Sache mit Zustimmung des Vermieters ganz oder teilweise untervermieten.

2 Der Vermieter kann die Zustimmung nur verweigern, wenn:

         a. der Mieter sich weigert, dem Vermieter die Bedingungen der Untermiete bekanntzugeben;

        b. die Bedingungen der Untermiete im Vergleich zu denjenigen des Hauptmietvertrags missbräuchlich sind

        c. dem Vermieter aus der Untermiete wesentliche Nachteile entstehen.

    3 Der Mieter haftet dem Vermieter dafür, dass der Untermieter die Sache nicht anders gebraucht, als es ihm selbst gestattet ist. Der Vermieter kann den Untermieter unmittelbar dazu anhalten.

    Gemäss Vorlage:

    • sollen Mieterinnen und Mieter künftig ein schriftliches Gesuch für die Untermiete stellen, welchem die Vermieterschaft schriftlich zustimmen muss.
    • muss jede Änderung der Untermiete der Vermieterschaft mitgeteilt werden.
    • kann die Vermieterschaft künftig die Untermiete untersagen, wenn diese länger als zwei Jahre dauern soll.
    • kann die Vermieterschaft das Mietverhältnis wegen einer unzulässigen Untervermietung künden.

    Parlament und Bundesrat empfehlen, die Vorlage anzunehmen. Die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt und die Verbreitung von Vermietungsplattformen im Internet begünstige Missbräuche bei der Untermiete. Solche Missbräuche sollen durch eine klare Regelung der Voraussetzungen der Untermiete verhindert werden. Die Gegner:innen der Vorlage machen geltend, die Vorlage schwäche die Position der Mieterschaft stark. Da es bereits jetzt verboten ist, die Wohnung ohne Einwilligung der Eigentümer:innen unterzuvermieten, sei eine zusätzliche Regelung nicht erforderlich.

    Herabsetzung der Anforderungen für die Kündigung zum Eigenbedarf

    Das Gesetz regelt den dringenden Eigenbedarf in drei konkreten Situationen:

    • Art. 261 Abs. 2 Bst. a OR sieht vor, dass bei einem Eigentümerwechsel der Mietsache, neue Eigentümer:innen das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Frist auf den nächsten gesetzlichen Termin kündigen können, wenn diese einen dringenden Eigenbedarf geltend machen.
    • Art. 271a Abs. 3 Bst. a OR hält fest, dass Vermieter:innen beim Vorliegen eines dringenden Eigenbedarfs das Mietverhältnis kündigen dürfen, selbst wenn zu diesem Zeitpunkt ein Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis läuft oder die Vermieter:innen in den letzten drei Jahren vor der Kündigung einem Rechtstreit unterlagen, welches im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis stand.
    • Art. 272 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Bst. d OR statuiert, dass Mieter:innen die Erstreckung eines (un)befristeten Mietverhältnisses verlangen können, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für sie oder ihre Familien eine Härte zur Folge hätte, die durch die Interessen der Vermieter:innen nicht zu rechtfertigen sind. Bei der Interessensabwägung wird dabei insbesondere auch ein allfälliger dringender Eigenbedarf der Vermieter:innen berücksichtigt.

    Die «Dringlichkeit», von welcher das Gesetz im Zusammenhang mit dem Eigenbedarf spricht, wird im Gesetz selbst nicht definiert. Nach der aktuell geltenden Rechtsprechung bedeutet «Dringlichkeit», dass der Eigenbedarf unmittelbar (nicht bloss zukünftig), tatsächlich (nicht bloss hypothetisch) und aktuell sein muss. Dies ist dann der Fall, wenn nach objektiver Würdigung der Umstände ein Zuwarten mit der Selbstnutzung (bis bspw. eine ordentliche Kündigung möglich ist) für Vermieter:innen als nicht zumutbar erscheint (vgl. bspw. BGE 118 II 50, E. 3c).

    Die Vorlage will diese Anforderungen an die Dringlichkeit herabsetzen. Bei Annahme der Vorlage muss der Eigenbedarf für eine zulässige Kündigung nicht mehr «dringlich», sondern nur noch «bedeutend und aktuell» sein. Wie «bedeutend und aktuell» zu verstehen ist, wird nicht genauer definiert. Bei einer Annahme der Vorlage wäre es somit an den Gerichten, diese beiden Begriffe genauer zu bestimmen.

    Parlament und Bundesrat empfehlen Annahme der Vorlage. Diese helfe Vermieter:innen, in oder nach einem Rechtsstreit, bei einer Mieterstreckung oder bei einem Eigentumswechsel den Eigenbedarf einfacher geltend machen zu können. Die Gerichte würden bei der Beurteilung einer Kündigung wegen Eigenbedarfs immer noch die Interessen der Mieter:innen und Vermieter:innen gegeneinander abwägen, der Eigenbedarf würde jedoch stärker gewichtet. Die Gegner:innen der Vorlage machen geltend, dass auch diese Vorlage die Position der Mieter:innen erheblich schwächt. Darüber hinaus würden gelockerte Regelungen betreffend der Kündigung zum Eigenbedarf der Immobilien-Lobby erlauben, höhere Renditen zu erzielen.

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    Anpassungen Stockwerkeigentumsrecht?

    Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 20. September 2024 die Vernehmlassung zu Änderungen des Zivilgesetzbuches betreffend das Stockwerkeigentum eröffnet (MM). Die Vernehmlassung dauert bis am 20. Dezember 2024.

    Vorgeschlagen werden insbesondere folgende Änderungen (detaillierte Übersicht):

    • explizite Regelung der Sondernutzungsrechte an gemeinschaftlichen Teilen der Liegenschaft (z.B. Parkplätze oder Gärten);
    • Regelung des Kaufes von Stockwerkeigentum ab Plan;
    • Klagerecht für die Schaffung eines Erneuerungsfonds für die Finanzierung notwendiger Unterhalts- und Erneuerungsarbeiten (jedoch kein oblig. Erneuerungsfond);
    • Stockwerkeigentum im Baurecht: Mehrheitsbeschluss soll künftig für Verlängerung eines Baurechts genügen.

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    Anfechtung von Anfangsmietzsinsen

    Im Vertragsrecht gilt der Grundsatz der Dispositionsmaxime. D.h., die Parteien sind frei, Vereinbarungen zu treffen und insbesondere Verträge gemäss ihren Vorstellungen und Wünschen zu schliessen. Der Gesetzgeber greift in diese Vertragsfreiheit ein, um insbesondere schwächere Parteien zu schützen.

    Im Mietrecht kann nach Unterzeichnung des Mietvertrages der Anfangsmietzins noch während 30 Tagen nach Schlüsselübergabe bei der Schlichtungsbehörde als missbräuchlich angefochten und dessen Herabsetzung verlangt werden (Art. 270 OR). Missbräuchlich ist ein Mietzins dann, wenn (alternativ):

    • die persönliche oder familiäre Notlage der Mieter:innen oder die Verhältnisse auf dem lokalen Wohnungsmarkt die Mieter:innen zum Vertragsschluss gezwungen haben, oder
    • der Mietzins gegenüber dem früheren Mietzins erheblich erhöht wurde. Gemäss Art. 256a Abs. 2 OR können Mieter:innen verlangen, dass ihnen die Höhe des Mietzinses aus dem früheren Mietverhältnis mitgeteilt werden.

    Eine formell zulässige Anfechtung führt jedoch noch nicht zu einer Reduktion des Mietzinses. Eine allfällige Herabsetzung richtet sich nach Art. 269 OR und Art. 269a OR. Somit ist massgebend, ob mit dem (neue) Mietzins ein übersetzter Ertrag aus der Mietsache erzielt wird oder ob der Mietzins auf einem offensichtlich übersetzten Kaufpreis beruht. Mietzinse sind insbesondere dann in der Regel nicht missbräuchlich, wenn sie im Rahmen der orts- oder quartierüblichen Mietzinse liegen (vgl. in diesem Zusammenhang das Urteil des Bundesgericht 4A_121/2023 vom 29. November 2023).

    Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-N) hat gemäss Medienmitteilung vom 16. August 2024 vom Ergebnisbericht über die Vernehmlassung zu den parlamentarischen Initiativen 16.451 “Für Treu und Glauben im Mietrecht. Anfechtung des Anfangsmietzinses nur bei Notlage des Mieters” und 17.493 “Beweisbare Kriterien für die Orts- und Quartierüblichkeit der Mieten schaffen” Kenntnis genommen. Die Kommission hat “grossen Handlungsbedarf bei der Mietzinsgestaltung festgestellt”, da die momentane Rechtslage zu Rechtsunsicherheit führe und langwierige Verfahren begünstige. Die RK-N hat beide Vorlagen verabschiedet. Sie werden voraussichtlich in der Frühjahrssession 2025 im Nationalrat beraten.

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    Aus dem Bundeshaus: Bericht des Bundesrates zum Unterhaltsrecht

    Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 24. April 2024 in Erfüllung des Postulates 21.4141 Silberschmidt vom 29. September 2021 den Bericht “Alternierende Obhut: Evaluation der Gerichtspraxis nach der Revision des Unterhaltsrechts” verabschiedet (MM).

    Gemäss geltendem Recht muss das Gericht nach einer Trennung oder Scheidung die Möglichkeit der alternierenden Obhut (d.h. die Kinder leben abwechselnd bei beiden Elternteilen) zwingend prüfen, auch wenn diese Betreuungsform nicht von beiden Elternteilen gewünscht wird. Die alternierende Obhut wird hingegen nicht vorgeschrieben.

    Zur Evaluation der Praxis der erst- und zweitinstanzlichen Gerichte wurden zwei interdisziplinäre Studien in Auftrag gegeben:

    Der Bundesrat kommt in seinem Bericht gestützt auf die beiden Studien zum Schluss, dass sich die Eltern eher selten für eine alternierende Obhut entscheiden, was aber mit den realen Lebensumständen (z.B. Distanz zwischen den Wohnorten der Eltern, berufliche Verpflichtungen oder finanzielle Situation) begründet wird. Der Bundesrat sieht diesbezüglich keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf und verweist darauf, dass die Rahmenbedingungen entscheidend seien.

    Zur Förderung der gemeinsamen elterlichen Verantwortung nach einer Trennung oder Scheidung sieht der Bundesrat hingegen im Bereich des Familienverfahrensrechts Verbesserungsbedarf. Ein entsprechender Bericht wird für Anfang 2025 in Aussicht gestellt.

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    Neue Regelung für «A-Post Plus»-Zustellungen am Wochenende

    Der Bundesrat hat am 14. Februar 2024 die Vernehmlassung zur Neuregelung von Zustellungen an Wochenenden im gesamten Bundesrecht eröffnet. Gemäss dieser Regelung sollen fristauslösende Sendungen neu erst am nächsten Werktag als erfolgt gelten (MM). Dieser Vorschlag basiert auf der Motion 22.3381, «Harmonisierung der Fristenberechnung», der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-N), welcher die folgende Problematik zugrunde liegt:

    Mit der Versandart «A-Post Plus», welche von der Schweizerischen Post angeboten wird, können Sendungen auch an Samstagen mittels Nachverfolgung zugestellt werden, wobei keine Empfangsbestätigung durch den/die Empfänger:in notwendig ist. Bei Postsendungen, die eine rechtliche Frist auslösen, beginnt diese Frist gemäss der aktuellen Rechtslage am Tag nach der Zustellung – das heisst unter Umständen am Sonntag. Ist der/die Sendeadressat:in am Wochenende abwesend, beginnt die Frist somit bereits bevor diese:r die Sendung in Empfang genommen hat. Zudem kennt der/die Empfänger:in den konkreten Tag der Zustellung nicht, da das Zustelldatum auf der Sendung jeweils nicht ersichtlich ist. Betreffende Empfänger:innen erfahren somit gegebenenfalls einen Rechtsnachteil oder sogar einen Rechtsverlust, wenn sie aufgrund des unbekannten Zustelldatums die Frist falsch berechnen.

    Mit dem Vorentwurf des Bundesgesetzes über die Zustellung von Sendungen an Wochenenden und Feiertagen soll dieser Problematik entgegengewirkt werden. Die Post, welche an einem Samstag, einem Sonntag oder einem Feiertag zugestellt wird, soll – analog der neuen Zustellungsfiktion in der Zivilprozessordnung (ZPO) – rechtlich erst am folgenden Werktag als zugestellt gelten. Die Umsetzung dieser neuen Regelung ist folgendermassen geplant: Einerseits sollen die Erlasse, welche Vorschriften zur Fristenberechnung beinhalten, mit einer neuen Zustellungsfiktion (analog der ZPO) ergänzt werden und andererseits soll für Erlasse, die keine Fristberechnungsregeln aber immerhin Fristen festlegen, eine Auffangordnung im Bundesgesetz über den Fristenlauf an Samstagen erstellt werden. Letzter Punkt betrifft namentlich Fristen des materiellen Privatrechts wie Kündigungsfristen.

    Die Vernehmlassung des Bundesrates endet am 24. Mai 2024.

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    Personalwohnungen und die Lex Koller

    Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 2C_325/2022 vom 21. Dezember 2023 erneut mit Personalwohnungen im Zusammenhang mit der Lex Koller befasst.

    Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die A AG bezweckt die Errichtung, den Erwerb, das Halten, die Verwaltung, den Betrieb und die Veräusserung von Hotels und Personalhäusern in der Schweiz. Die Schwestergesellschaft C AG ist Betreiberin eines Hotels in Davos. Sämtliche Aktien der Muttergesellschaft B AG hält ein deutscher Staatsangehöriger. Die B AG (und somit auch ihre Töchter A AG und C AG) ist eine “Person im Ausland” gemäss Lex Koller.

    Die A AG beabsichtigt, ein Hotel zu erwerben und dieses der C AG als Personalhaus zur Verfügung zu stellen.

    Das Bundesgesetz über den Grundstückerwerb durch Personen im Ausland (Bewilligungsgesetz, BewG, Lex Koller) regelt die Frage, unter welchen Voraussetzungen und innerhalb welcher Grenzen sog. Personen im Ausland Grundstücke in der Schweiz oder Beteiligungen an Gesellschaften, deren Zweck der Erwerb von Grundstücken ist, erwerben können. Gemäss Art. 2 Abs. 2 Bst. a BewG bedarf der Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland keiner Bewilligung, wenn das Grundstück als ständige Betriebsstätte eines Handels-, Fabrikations- oder eines anderen nach kaufmännischer Art geführten Gewerbes, eines Handwerksbetriebes oder eines freien Berufes dient. Ein “klassisches” Hotel stellt eine solche Betriebsstätte dar.

    Gemäss geltendem Recht werden Personalwohnungen nicht von der Hotelbetriebsstätte-Ausnahme erfasst (so auch das Bundesgericht in BGE 147 II 281). Das Bundesgericht ankerkennt zwar, dass “das Hotelpersonal grundsätzlich auf die Zuverfügungsstellung von Personalwohnungen angewiesen ist und auf dem betroffenen, lokalen Mietmarkt schwer Wohnraum zu finden ist”, kommt jedoch zum Schluss, dass mangels Rechtsgrundlage ein bewilligungsfreier Erwerb von Personalwohnungen durch eine Person im Ausland nicht zulässig sei (E. 4.7).

    Im vorliegenden Urteil hat das Bundesgericht festgehalten, dass ein nachträglicher Erwerb von Personalwohnungen nicht als bewilligungsfreier Miterwerb im Sinne von Art. 2 Abs. 3 BewG, sondern als späterer bewilligungspflichtiger Zuerwerb zu qualifizieren sei.

    Offen bleibt die Frage, weshalb das Verfahren nicht sistiert worden ist, da das Parlament am 25. September 2023 (Amtliches Bulletin) mit der Annahme der Motion 22.4413 Schmid den Bundesrat beauftragt hat, eine Gesetzes- resp. Verordnungsanpassung vorzunehmen (vgl. Beitrag vom 4. Oktober 2023).

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    Bundesrat will Position von Grundstückbesitzer:innen bei Hausbesetzungen stärken

    Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 15. Dezember 2023 die Botschaft zur Verbesserung der Stellung von Grundstückbesitzer:innen verabschiedet. Er ging hierbei auf die Forderungen der Motion Feller 15.3531 ein, welche die Beseitigung existierender Hürden im geltenden Recht für die Wiederbemächtigung des Besitzes durch den/die Grundstückbesitzer:in forderte (MM).

    Eckdaten: Der Bundesrat schickte eine Änderung des Schweizer ZGB zur Besserstellung von Grundstückbesitzer:innen am 2. September 2020 in die Vernehmlassung und nahm am 29. Juni 2022 die Resultate der Vernehmlassung zur Kenntnis. Am 15. Dezember 2023 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zur Weiterbearbeitung durch das Parlament.

    Konkrete Änderungen: Der Bundesrat entschied einerseits, dass der/die Grundstückbesitzer:in zur eigenständigen Wiederbemächtigung des Grundstücks weiterhin «sofort» handeln muss. Dies diene der Rechtssicherheit und verhindere, dass das staatliche Gewaltmonopol «aufgeweicht» wird. Gleichzeitig legte der Bundesrat fest, dass die Frist zur Handlung dann beginnt, wenn der/die Besitzer:in Kenntnis von der Hausbesetzung erhält – sofern dies bei gebotener Sorgfalt nicht bereits früher möglich gewesen wäre. Gemäss dem neuen Gesetzesentwurf kann Selbsthilfe angewendet werden, sofern amtliche Hilfe nicht rechtzeitig verfügbar ist und sich der/die Besitzer:in jeder nach den Umständen nicht gerechtfertigten Gewalt enthält (vgl. Art. 926 Abs. 4 E-ZGB). Die Zulässigkeit der Selbsthilfe hängt damit von den Umständen im Einzelfall ab.

    Der neue Gesetzesentwurf verzichtet – vor dem Hintergrund der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen – auf direkte Vorgaben zur Räumung von Hausbesetzungen. Immerhin sehen die Änderungen des Bundesrats eine Verminderung von prozessualen Hürden zur Räumung von Grundstücken vor und gewährt Grundstückbesitzer:innen insbesondere die Möglichkeit zur gerichtlichen Verfügung gegen unbekannte Personen und damit zur rascheren Zwangsräumung. Ferner können Besitzer:innen gerichtliche Verfügungen neu auf Antrag durch eine Behörde anbringen lassen.

    Zur Medienmitteilung

    Rechtliche Inputs :

    • Unterscheidung zwischen Besitz und Eigentum: Die Vorschriften, welche die Hausbesetzung betreffen, knüpfen am Grundstückbesitz an (sog. Besitzesschutz). (Grund-)Besitzer:innen sind von (Grund-)Eigentümer:innen zu unterscheiden: Ein:e Besitzer:in hat die tatsächliche Gewalt über eine Sache (vorliegend das Grundstück) und übt die Gewalt willentlich über diese Sache bzw. das Grundstück aus (vgl. Art. 919 Abs. 1 ZGB; Ernst/Zogg, BSK ZGB II, Aufl. 7, Art. 919 N 15 ff.). Demgegenüber hat ein:e Eigentümer:in alle Befugnisse an einer Sache, die im Rahmen des Rechts möglich sind, wobei diese Befugnisse «die Sache in ihrer Gesamtheit» betreffen. Eigentümer:innen haben somit namentlich das Recht, die Sache zu verkaufen oder Eingriffe von Dritten abzuwehren (vgl. Art. 641 ZGB; Wolf/Wiegand, Vor Art. 641 ff., N 42 und Art. 641 N 25, 31 ff.). Eigentümer:innen können zugleich Besitzer:innen sein, wenn sie Eigentum an einer Sache bzw. an einem Grundstück haben und dort tatsächliche Gewalt ausüben.
      Beispiel: A mietet eine Wohnung des Vermieters B, dem die Wohnung gehört. B ist der Eigentümer der Wohnung. Er kann darüber bestimmen, was er damit machen möchte, und könnte diese verkaufen. A ist Mieter und hat damit tatsächliche Gewalt über die Wohnung. A ist Besitzer. Vermietet B die Wohnung nicht und wohnt er selbst darin, ist er zugleich Eigentümer und Besitzer.
    • Kantonale Regelung (vgl. Mabillard, S. 156 ff.): Seit Inkrafttreten des Besitzesschutzes auf Bundesebene (Art. 926 ff. ZGB) wurde der Besitzesschutz in den Kantonen weitgehend vereinheitlicht. Dennoch haben die kantonalen Behörden in der Rechtsanwendung und Rechtsdurchsetzung sowie in der Umsetzung des Besitzesschutzes nach wie vor grosse Spielräume. Im Bereich von Hausbesetzungen ist heute noch das kantonale (Polizei-)Recht massgebend. Nachstehend werden beispielhaft die Voraussetzungen für eine Räumung für die Kantone Bern, Zürich und Genf aufgezeigt:
    • Bern: Gemäss Berner Praxis setzt eine polizeiliche Räumung einen Straf- sowie einen Räumungsantrag voraus. Ein vorheriger Zivilprozess ist nicht notwendig. Liegen die Voraussetzungen zur polizeilichen Räumung vor, wird die Räumung des besetzten Grundstücks unter Berücksichtigung des Verhältnismässigkeits- und des Opportunitätsprinzips durchgeführt. Die Praxis der polizeilichen Räumung wird von einem Präventions- und Vermittlungsangebot der Zwischennutzungsstelle der Immobilienverwaltung der Stadt Bern begleitet. Zurzeit wird eine Anpassung der Berner Praxis an die Zürcher Praxis diskutiert (vgl. S. 175 ff. des Gutachtens).
    • Zürich: Die Zürcher Stadtpolizei kennt mit dem Massnahmenkonzept «Prävention, Legalisierung, Strafverfolgung und Räumung» eine mehrstufige Praxis. Nach dieser Praxis sind für die polizeiliche Räumung durch die Stadtpolizei vorausgesetzt: Ein gültiger Strafantrag sowie entweder «eine rechtskräftige Abbruchbewilligung, eine rechtskräftige Baubewilligung einschliesslich Baufreigabe und Belege der unverzüglichen Aufnahme der Abbruch- bzw. Bauarbeiten, ein Vertrag zur Nutzung der Liegenschaft nach deren Räumung oder eine Gefährdung der Sicherheit von Personen bzw. von denkmalgeschützten Bauteilen oder Einrichtungen». Die Stadtpolizei Zürich stützt sich dabei in erster Linie auf ein Merkblatt für Hausbesetzungen, das vom Stadtrat erlassen wurde (vgl. S. 183 ff. des Gutachtens).
    • Genf: Das Vorgehen gegen Hausbesetzungen ist auf der Grundlage von kantonalen Rechtsgrundlagen (vgl. namentlich Art. 1 Abs. 3 lit. a LPol GE) möglich. Hierfür notwendig ist ein Strafbefehl und es muss der jeweilige Einzelfall berücksichtigt werden. Für die Genfer Polizei ist in erster Linie insbesondere die Kommunikation mit dem/der Grundbesitzer:in zentral (vgl. S. 158 ff. des Gutachtens).

    Zum vollständigen Gutachten zur Motion Feller von Dr. iur. Ramon Mabillard LL.M : Besitzesschutz bei Hausbesetzungen

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    Schweiz regelt grenzüberschreitende Erbfälle neu

    Im Rahmen der Revision des internationalen Erbrechts (MM) gab es zwischen dem National- und dem Ständerat in den vergangenen Jahren verschiedene Differenzen (vgl. Debatte). An seiner Sitzung vom 12. Dezember 2023 hat der Ständerat nun die letzte Meinungsdifferenz zum Nationalrat beseitigt (SDA-Meldung und Votum Ständerat):

    Die Revision des Bundesgesetzes über das internationale Privatrecht (IPRG) strebt die Angleichung an das EU-Recht an und soll die Zuständigkeiten der Staaten bzw. Behörden in grenzüberschreitenden Erbfällen klären.

    Im Zentrum stehen Sachverhalte, in welchen Personen ihren Wohnsitz von der Schweiz ins Ausland verlegen, dort versterben und Vermögen in der Schweiz sowie an ihrem letzten Wohnsitz hinterlassen. Gegenstand der letzten bestehenden Differenz zwischen National- und Ständerat bildete die Rechtswahl – mittels Testament oder Erbvertrag – durch eine:n Schweizer Staatsbürger:in mit mehrfacher Staatsbürgerschaft. Der Ständerat vertrat zu Beginn die Ansicht, dass Schweizer:innen mit mehrfacher Staatsbürgerschaft keine Rechtswahl zustehen soll bzw. diese das Schweizer Recht wählen müssen. Der Nationalrat und der Bundesrat befürworteten diesen Vorschlag nicht. Der Nationalrat beanstandete insbesondere die dadurch entstehende Ungleichbehandlung von Schweizer:innen mit und ohne mehrfache Staatsbürgerschaft.

    Der Ständerat hat dem Kompromissvorschlag des Nationalrats schliesslich zugestimmt, wonach Schweizer:innen mit mehrfacher Staatsangehörigkeit die Anwendbarkeit von ausländischem Recht wählen können sollen, jedoch die Pflichtteile gemäss Schweizer Recht unberührt lassen müssen.

    Zur SDA-Meldung: Schweiz regelt grenzüberschreitende Erbfälle neu // Zur Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (Erbrecht): BBl 2020 3309

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    Lex Koller: Personalwohnungen als Betriebsstätte

    Das Bundesgesetz über den Grundstückerwerb durch Personen im Ausland (Bewilligungsgesetz, BewG, Lex Koller) regelt die Frage, unter welchen Voraussetzungen und innerhalb welcher Grenzen sog. Personen im Ausland Grundstücke in der Schweiz oder Beteiligungen an Gesellschaften, deren Zweck der Erwerb von Grundstücken ist, erwerben können.

    Gemäss Art. 2 Abs. 2 Bst. a BewG bedarf der Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland keiner Bewilligung, wenn das Grundstück als ständige Betriebsstätte eines Handels-, Fabrikations- oder eines anderen nach kaufmännischer Art geführten Gewerbes, eines Handwerksbetriebes oder eines freien Berufes dient. Ein “klassisches” Hotel stellt eine solche Betriebsstätte dar.

    Gemäss geltendem Recht werden Personalwohnungen nicht von der Hotelbetriebsstätte-Ausnahme erfasst (so auch das Bundesgericht in BGE 147 II 281). Das Bundesgericht ankerkennt zwar, dass “das Hotelpersonal grundsätzlich auf die Zuverfügungsstellung von Personalwohnungen angewiesen ist und auf dem betroffenen, lokalen Mietmarkt schwer Wohnraum zu finden ist”, kommt jedoch zum Schluss, dass mangels Rechtsgrundlage ein bewilligungsfreier Erwerb von Personalwohnungen durch eine Person im Ausland nicht zulässig sei (E. 4.7).

    Mit Motion 22.4413 hat Ständerat Schmid eine entsprechende Anpassung der Bewilligungsverordnung angestossen und beantragt, Art. 3 BewV sei wie folgt anzupassen: “Die Verwendung des Grundstückes für die Erstellung oder gewerbsmässige Vermietung von Wohnraum, der nicht zu einem Hotel oder Apparthotel gehört, begründet keine Betriebsstätte im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a BewG. Davon ausgenommen ist Wohnraum, der einem Hotel oder Apparrthotel zur Unterbringung von betriebsnotwendigem Personal dient.”

    Der Nationalrat hat den Vorstoss – entgegen des Antrags des Bundesrates – am 25. September 2023 als Zweitrat angenommen (Amtliches Bulletin) und somit den Bundesrat beauftragt, eine entsprechende Anpassung der BewV vorzunehmen.

    Eine Anpassung der gesetzlichen Grundlagen um den Erwerb von Personalwohnungen zu ermöglichen entspricht einem ausgewiesenen Bedürfnis. Offen ist, ob eine Anpassung auf Verordnungsstufe reicht, oder ob die Grundlage nicht in das BewG gehören würde. Ferner wäre es im Sinne der Lex Koller sicher wünschenswert, wenn die vorgesehene Anpassung Schutzmechanismen vorsieht, um das Risiko einer späteren Zweckentfremdung und somit Verletzung der Lex Koller zu minimieren.

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    Ausblick: wichtige Entscheide der RK-N stehen an

    Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-N) wird nächste Woche in wichtigen Dossiers Entscheide fällen (vgl. Sitzungsplanung):

    Ausgewählte Traktanden:

    Dossier Zivilprozessrecht (Verbandsklage und kollektiver Vergleich / “Sammelklage”; Curia Vista: 21.082): Am 24. Juni 2022 hatte die RK-N in ihrer Medienmitteilung festgehalten, die Botschaft des Bundesrates lasse zu viele Fragen offen, und es sei somit nicht möglich, bereits über den Handlungsbedarf im Bereich des Ausbaus der kollektiven Rechtsdurchsetzung zu entscheiden. Die RK-N wird voraussichtlich nächste Woche über das Eintreten auf die Vorlage entscheiden.

    Dossier Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz (“Projekt Justitia 4.0”; Curia Vista: 23.022): Die Vorlage bezweckt die Digitalisierung im Justizbereich: der digitale Wandel in der Schweizer Justiz in Straf-, Zivil- und Verwaltungsverfahren soll vorangetrieben werden. Nächste Woche soll die Detailberatung aufgenommen werden.

    Dossier Unternehmensnachfolge/Erbrecht (Curia Vista: 22.049: Nachdem der Ständerat am 15. Juni 2023 auf die Vorlage nicht eingetreten ist (vgl. Amtliches Bulletin; Hauptbegründung: die Unternehmensnachfolge erfolge regelmässig einvernehmlich, weshalb keine Regelung notwendig sei), befasst sich nächste Woche die RK-N als zuständige Kommission des Nationalrates mit der Vorlage.

    Dossier Bauvertragsrecht (Curia Vista: 22.066): Die Vorlage bezweckt die Stärkung der Rechte von privaten Haus- und Stockwerkeigentümer:innen sowie von professionellen Bauherr:innen. Die RK-N wird nächste Woche die Eintretensdebatte fortführen.