Begleitetes Besuchsrecht

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Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 5A_967/2021 vom 24. Juni 2022 mit einer familienrechtlichen Streitigkeit auseinandergesetzt.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Bei den Parteien handelt es sich um die geschiedenen Eltern ihres im Jahr 2015 geborenen Sohnes. Im Rahmen des Eheschutzverfahrens im Jahr 2017 wurde für den Sohn eine Beistandschaft errichtet, dieser in die alleinige Obhut der Mutter gestellt und das unbegleitete Besuchsrecht zwischen Vater und Sohn geregelt. Im Jahr 2019 erfolgte die Scheidung, wobei die Parteien eine gerichtlich genehmigte Vereinbarung unterzeichneten. Hierbei einigten sich die Parteien insbesondere auf unbegleitete Besuche des Vaters. Im Jahr 2020 reichte die Mutter bei der ersten Instanz ein Gesuch um Abänderung ein. Sie verlangte insbesondere, dass dem Vater superprovisorisch bis auf weiteres ein begleitetes Besuchsrecht zu gewähren sei. Dieses Gesuch wurde durch die erste Instanz teilweise gutgeheissen und für die Dauer von zumindest 6 Monaten ein begleitetes Besuchsrecht gewährt, wobei die Beiständin im Weiteren entscheiden solle, ob die begleiteten Besuche durch begleitete Übergaben ersetzt werden können oder ob die Massnahme zu verlängern sei.

Die gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde des Vaters wurde durch die zweite Instanz gutgeheissen und die ursprüngliche unbegleitete Besuchsrechtsregelung ergänzt durch die Anordnung begleiteter Übergaben wieder in Kraft gesetzt. Gegen diesen Entscheid der zweiten Instanz erhob die Mutter Beschwerde ans Bundesgericht und verlangte wiederum die Festlegung eines begleiteten Besuchsrechts.

Im Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht wegen vorsorglicher Massnahmen im Sinne von Art. 276 ZPO kann nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden. Die Mutter macht insbesondere eine Verletzung des Willkürverbots geltend. So habe die Vorinstanz in willkürlicher Verletzung der Untersuchungsmaxime die für die Beurteilung der Kindeswohlgefährdung wesentlichen Abklärungen nicht vorgenommen, obschon sich dies unter anderem aufgrund des Verhaltens des Vaters, der Eingaben und Anträge der Beiständin und des Gutachtens über die Erziehungsfähigkeit des Vaters aufgedrängt habe. Gerade letzteres attestierte dem Vater eine unreife Persönlichkeitsstruktur, impulsiv-agierendes und unreflektiertes Verhalten, welches seine Fähigkeit ein stabiles, Sicherheit spendendes und spiegelndes Gegenüber für den Sohn zu sein, beeinträchtige. Im Ergebnis bestehe laut der Mutter eine erhebliche Kindeswohlgefährdung aufgrund der Einschränkung der Erziehungsfähigkeit des Vaters, weshalb die ursprüngliche Besuchsrechtsregelung nicht wieder in Kraft gesetzt werden könne.

Gemäss Art. 273 Abs. 1 ZGB haben der nicht obhutsberechtigte Elternteil und das minderjährige Kind gegenseitig Anspruch auf angemessenen persönlichen Verkehr. Wird das Wohl des Kindes durch den persönlichen Verkehr gefährdet, üben die Eltern ihn pflichtwidrig aus, haben sie sich nicht ernsthaft um das Kind gekümmert oder liegen andere wichtige Gründe vor, so kann ihnen das Recht auf persönlichen Verkehr verweigert oder entzogen werden (Art. 274 Abs. 2 ZGB). Eine Gefährdung des Kindeswohls liegt laut Bundesgericht vor, wenn das Zusammensein mit dem nicht obhutsberechtigten Elternteil die ungestörte körperliche, seelische oder sittliche Entfaltung des Kindes bedroht. Bei der Beschränkung des persönlichen Verkehrs ist stets das Gebot der Verhältnismässigkeit zu beachten (Art. 389 Abs. 2 i.V.m. Art. 314 Abs. 1 und Art. 274 Abs. 2 ZGB). Eine Möglichkeit, das Besuchsrecht besonders auszugestalten, besteht laut Bundesgericht in der Anordnung, die Besuche in Anwesenheit einer Drittperson durchzuführen, wenn die befürchteten nachteiligen Auswirkungen der Kontakte für das Kind durch die Anwesenheit einer Drittperson in Grenzen gehalten werden können. Ein begleitetes Besuchsrecht dürfe indes nur angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Gefährdung des Kindeswohls bestehen.

Das Bundesgericht gelangt zum Schluss, dass vorliegend keine konkreten Anhaltspunkte für die Gefährdung des Kindeswohls bestehen, wenn die ursprüngliche Besuchsrechtsregelung wieder in Kraft gesetzt wird. Aus den Einwendungen der Mutter ergebe sich keine konkreten Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindeswohls; sie belasse es bei blossen Vermutungen. Gerade in Bezug auf die durch die Mutter genannte Stelle im Erziehungsfähigkeitsgutachten gelinge es ihr nicht, Willkür darzutun. So ziehe sie daraus prognostisch Schlüsse, welche gegen ein unbegleitetes Besuchsrecht sprechen und übersehe dabei, dass das fragliche Gutachten bereits als Grundlage für die ursprüngliche Besuchsrechtsregelung diente.

Im Ergebnis wies das Bundesgericht die Beschwerde vollständig ab.

Unterhaltsberechnung – Anrechnung des hypothetischen Einkommens

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Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 5A_476/2021 vom 20. April 2022 mit einer vorsorglichen Massnahme in einem Ehescheidungsverfahren auseinandergesetzt.

Im konkreten Fall rechnete das erstinstanzliche Gericht dem Ehemann auf Gesuch der Ehefrau ein hypothetisches Einkommen an und legte den Unterhalt für die beiden gemeinsamen Kinder in einer vorsorglichen Massnahme fest. Das Obergericht bestätigte diesen Entscheid. Mangels finanzieller Mittel machte der Ehemann mit Beschwerde ans Bundesgericht die Verletzung des Willkürverbots geltend und verlangte die Aufhebung des entsprechenden Urteils und die Feststellung, dass er keinen Kindesunterhalt leisten kann.

Unbestritten war, dass der Ehemann kein Deutsch sprach und ihm, als er zuvor in der Schweiz gearbeitet hatte, infolge der Covid-19-Pandemie gekündigt wurde. In der Folge ist er zurück nach Italien, seinem Heimatland, wo er nach zwei Monaten eine Stelle fand und wieder ein Einkommen generieren konnte, welches aber erheblich unter dem Schweizer Lohnniveau lag.

Die beiden Vorinstanzen hatten insbesondere erwogen, dass der Ehemann in der Schweiz keine Stelle gesucht und sich auch nicht bei der Arbeitslosenkasse angemeldet habe. Es sei allein dem Ehemann zuzuschreiben, dass sein Einkommen, welches er mit seiner Anstellung in Italien generiere, erheblich unter dem Schweizer Lohnniveau liege. Der Ehemann hätte in der Schweiz mit der Hilfe der Regionalen Arbeitsvermittlung (RAV) ohne weiteres eine Stelle finden und zum Beispiel Deutsch lernen können. Seine Kinder und damit seine nächsten Verwandten würden in der Schweiz leben. Zudem habe der Ehemann früher in verschiedenen Regionen Italiens gelebt, womit er es gewohnt sei, sich in einer neuen Umgebung zurechtzufinden. Der Ehemann sei selbst für seine fehlende Integration in der Schweiz verantwortlich. Als Bürger der EU habe er sodann das Recht auf eine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz, sofern er einen Arbeitsvertrag vorweisen könne. Im Ergebnis wurde dem Ehemann ein hypothetisches Einkommen im Umfang jenes Einkommens angerechnet, welches er bei seiner früheren Anstellung in der Schweiz generiert hatte.

Das Bundesgericht bestätigt den vorinstanzlichen Entscheid und stellt fest, dass die massgebende Rechtsprechung sowohl zur Anrechnung eines hypothetischen Einkommens als auch zur Ausnützung der Erwerbskraft im Verhältnis zum unmündigen Kind berücksichtigt worden sei. Gemäss dieser bundesgerichtlichen Rechtsprechung müssen sich die Eltern auch in örtlicher Hinsicht so ausrichten, dass sie ihre Arbeitskapazität voll ausschöpfen können, weshalb auch ein an sich zulässiger Wegzug ins Ausland unbeachtlich bleiben kann, wenn eine weitere Arbeitstätigkeit in der Schweiz zumutbar wäre. Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass der Ehemann gemessen an dieser Rechtsprechung keine Verletzung des Willkürverbots aufzeigen vermag.

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Neues Unterhaltsrecht

Das Bundesgericht hat sich in den vergangenen Monaten in mehreren Urteilen mit der Berechnung des (nach)ehelichen Unterhalts und des Kindesunterhalts befasst. Diese Rechtsprechung führt zu einer Vereinheitlichung bei der Bedarfsberechnung (neu gilt die so genannte zweistufige Methode) und klärt unter anderem auch die Frage, was zum (erweiterten) familienrechtlichen Bedarf gehört und was nicht. Wir begleiten Sie als Scheidungsanwalt:in bei der Auflösung Ihrer Ehe. Kontaktieren Sie uns.