Nachbarrecht: Wer ist Eigentümer:in einer Stützmauer?

Das Bundesgericht hat sich im Urteil 5A_665/2022 vom 4. April 2023 (zur Publikation vorgesehen) mit der Frage der Eigentümerschaft und der Unterhaltspflicht an einer Holzpalisadenwand auseinandergesetzt.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Beschwerdeführerin ist seit 2015 Eigentümerin des Grundstückes A. Bereits im Jahr 1988 wurde das tiefer liegende Nachbarsgrundstück B von der verstorbenen X erworben. An ihre Stelle traten ihre Erben als Beschwerdegegner in den Prozess ein.

Zwischen den beiden Grundstücken A und B befindet sich eine Böschung. Zur Sicherung der zwecks Raumgewinnung auf dem höher gelegenen Grundstück A vorgenommenen Aufschüttung wurde eine Holzpalisadenwand erstellt. Im Verlaufe der Jahre verschob sich die entsprechende Wand weiter nach unten auf das Grundstück B. Die Beschwerdeführerin hat sodann an der Holzpalisadenwand provisorisch Schaltafeln angebracht.

Mittels erstinstanzlicher Klage wurde die Beschwerdeführerin verpflichtet, die provisorischen Schaltafeln zu entfernen und das Grundstück B mittels Böschung oder einer neuen Stützmauer entlang der Parzellengrenze zu sichern. Diesen Entscheid focht die Beschwerdeführerin beim Obergericht an, jedoch ohne Erfolg.

Nun gelang sie mittels Beschwerde in Zivilsachen und subsidiärer Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem Begehren, die Klage der Eigentümer des Grundstückes B sei abzuweisen.

Stehen Vorrichtungen zur Abgrenzung zweier Grundstücke, wie Mauern, Hecken, Zäune, auf der Grenze, so wird Miteigentum der beiden Nachbarn vermutet (Art. 670 ZGB). Diese Vermutung lässt sich grundsätzlich auf zwei Arten widerlegen: durch Rechtsgeschäft zwischen den Nachbarn (z.B. Bestellung eines Überbaurechts) oder durch Nachweis entgegenstehenden Ortsgebrauchs i.S.v. Art. 5 Abs. 2 ZGB (E. 3.3.2).

Nach Art. 686 Abs. 1 ZGB sind die Kantone befugt, die Abstände festzulegen, die bei Grabungen und Bauten zu beobachten sind. Ausserdem bleibt ihnen vorbehalten, weitere Bauvorschriften aufzustellen (Abs. 2). Es handelt sich hierbei um einen echten Rechtsetzungsvorbehalt i.S.v. Art. 5 Abs. 1 ZGB (E. 3.4).

Gemäss Art. 79i EG ZGB des Kantons Bern gilt eine Stützmauer, welche auf der Grenze steht, als Bestandteil des Grundstücks, dessen Eigentümer sie erstellt hat. Kann dies nicht festgestellt werden, so wird Miteigentum beider Nachbarn angenommen (E. 3.5.1).

Die Holzpalisadenwand wurde unbestrittenermassen vom Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin erstellt. Ob diese seinerzeit an oder auf die Grundstückgrenze gestellt worden ist, spielt mit Bezug auf die Frage, wer Eigentümer:in ist, keine Rolle. Falls die Wand auf die Grenze gebaut worden ist, wurde der Rechtsvorgänger gestützt auf Art. 79i EG ZGB des Kantons Bern Eigentümer (E. 4.2). Falls die Mauer lediglich an die Grenze gebaut worden ist, liegt sie ohnehin auf dem Grundstück A und somit im Eigentum der Beschwerdeführerin.

Schliesslich befasst sich das Bundesgericht mit der Frage, ob sich die Beschwerdeführerin betreffend Unterhaltspflicht auf Art. 741 Abs. 2 ZGB berufen kann. Das Bundesgericht verneint vorliegend die Anwendbarkeit, da die Bestimmung für Vorrichtungen, die zur Ausübung einer Dienstbarkeit gehören, gilt (E. 5).

Das Bundesgericht erachtete die Beschwerde in Zivilsachen als unzulässig und die subsidiäre Verfassungsbeschwerde als unbegründet, soweit darauf eingetreten werden konnte.

Lex Koller: Rückforderungsanspruch nach Art. 26 BewG

Das Bundesgesetz über den Grundstückerwerb durch Personen im Ausland (BewG, Lex Koller) bezweckt, “die Überfremdung des einheimischen Bodens zu verhindern”. Dem Grundsatze nach müssen Personen im Ausland einen Grundstückerwerb bewilligen lassen (Art. 2 Abs. 1 BewG). Dies setzt voraus, dass ein Bewilligungsgrund (z.B. der Erwerb einer Ferienwohnung) vorliegt. Daneben kennt das Gesetz Ausnahmen, d.h. nicht bewilligungspflichtige Geschäfte, wie beispielsweise der Erwerb einer Betriebsstätte.

Was sind die Rechtsfolgen eines Grundstückerwerbes, welcher ohne die erforderliche Bewilligung erfolgte?

Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 4A_378/2022 vom 30. März 2023 mit folgendem Sachverhalt auseinandergesetzt:

Die Parteien schlossen einen “Darlehensvertrag” in der Höhe von CHF 1.8 Mio. zwecks Erwerbes eines Mehrfamilienhauses. Gemäss Vorinstanz war die Beschwerdegegnerin (Darlehensgeberin) im Zeitpunkt der Darlehensgewährung als ausländische Person im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. c BewG (ausländische Beherrschung) zu qualifizieren. Das Darlehen der Beschwerdegegnerin habe den Erwerb eines Mehrfamilienhauses durch die Beschwerdeführerin (Darlehensnehmerin) ermöglicht und komme aus Sicht der Beschwerdegegnerin einem dinglichen Erwerb der Liegenschaft gleich. Folglich sei der Erwerb mittels dieses Darlehens bewilligungspflichtig gewesen.

Das Bundesgericht hält fest, dass Rechtsgeschäfte über einen Grundstückserwerb nichtig werden, wenn der Erwerber das Rechtsgeschäft vollzieht, ohne um die Bewilligung nachzusuchen (Art. 26 Abs. 3 BewG). Die Nichtigkeit hat zur Folge, dass Leistungen innerhalb eines Jahres zurückgefordert werden können, seit der Kläger Kenntnis von seinem Rückforderungsanspruch hat (Art. 26 Abs. 4 lit. b BewG). Die Rückforderung von Geldleistungen gemäss Art. 26 Abs. 4 lit. b BewG erfolgt nach den Bestimmungen über die ungerechtfertigte Bereicherung gemäss Art. 62 ff. OR. Vorliegend war der Darlehensvertrag nichtig und von Anfang an (ex tunc) unwirksam. Entsprechend lag bereits mit Auszahlung der Darlehenssumme an die Beschwerdeführerin ein fälliger Rückforderungsanspruch vor.

Haben Sie Fragen zum Grundstückerwerb durch Personen im Ausland? Kontaktieren Sie uns.

Grundstückerwerb durch Personen im Ausland

Das Bundesgesetz über den Grundstückerwerb durch Personen im Ausland (Bewilligungsgesetz, Lex Koller) regelt die Frage, unter welchen Voraussetzungen und innerhalb welcher Grenzen sog. Personen im Ausland Grundstücke in der Schweiz oder Beteiligungen an Gesellschaften, deren Zweck der Erwerb von Grundstücken ist, erwerben können.

Am 2. Andermatt Tourism Law Forum vom 9./10. März 2023 durften wir das Thema “Lex Koller und (ausländische) Investitionen” (mit)diskutieren.

Unsere Präsentation finden Sie hier.

Auf Bundesebene wird aktuell eine Anpassung des Bewilligungsgesetzes diskutiert: Künftig sollen Personalhäuser als Betriebsstätte behandelt werden (Motion 22.4413). Dies würde bedeuten, dass künftig der Erwerb von Personalhäusern auch Personen im Ausland ermöglicht würde. In Anbetracht der Knappheit des Wohnraums für Arbeitnehmer*innen in Tourismusgebieten ein berechtigtes Anliegen.

Haben Sie Fragen zum Bewilligungsgesetz? Kontaktieren Sie uns.

Werkvertrag – Recht auf Werksvollendung

construction of a house

Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 4A_473/2021 vom 27. September 2022 mit einem Werkvertrag auseinandergesetzt.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Bauherrschaft beauftragte im Rahmen eines Neubauprojektes für zwei Mehrfamilienhäuser eine Unternehmerin mit der Herstellung, Lieferung und Montage von Fenstern und Schiebetüren. Noch bevor die Unternehmerin die Schlussmontage beenden konnte, zerstritten sich die Parteien. Schliesslich liess die Bauherrschaft die Schlussmontage durch eine Drittfirma ausführen und verweigerte jegliche Zahlung an die Unternehmerin. Die Unternehmerin klagte gegen die Bauherrschaft auf Bezahlung des vereinbarten Werklohns. Das Handelsgericht hiess die Klage gut. Nun gelangte die Bauherrschaft mit Beschwerde an das Bundesgericht.

Durch den Werkvertrag verpflichtet sich der Unternehmer zur Herstellung eines Werkes und der Besteller zur Leistung einer Vergütung (Art. 363 OR). Vorbehältlich anderer Abreden hat der Besteller die Vergütung bei der Ablieferung des Werks zu bezahlen (Art. 372 Abs. 1 OR). Die Ablieferung setzt voraus, dass das Werk vollendet ist. Dies ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung der Fall, wenn der Unternehmer alle vereinbarten Arbeiten ausgeführt hat, das Werk also fertiggestellt ist. Ein Werk gilt zudem – trotz fehlender Fertigstellung – bei vorzeitiger Vertragsbeendigung als abgeliefert, sei es zufolge Kündigung oder einvernehmlicher Vertragsaufhebung.

Gestützt auf diese bundesgerichtliche Rechtsprechung erachtete die Vorinstanz die Bauherrschaft als entschädigungspflichtig, soweit das Werk von der Unternehmerin erstellt wurde. Die Bauherrschaft sei infolge vertragsgemässer Lieferung nicht zur Ersatzvornahme berechtigt gewesen und habe der Unternehmerin zu Unrecht die Werksvollendung verunmöglicht. Das Bundesgericht bestätigte die Auffassung der Vorinstanz mit Verweis auf seine Rechtsprechung und wies die Beschwerde der Bauherrschaft ab.

Zuständigkeit Handelsgericht bei Vormerkung eines Mietverhältnisses

skyscrapers

Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 4A_199/2022 vom 20. September 2022 mit der Vormerkung eines Mietverhältnisses im Grundbuch beschäftigt.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: A (Klägerin) ist Mieterin von Geschäftsräumlichkeiten. Vermieterin (Beklagte) ist die Stiftung B. Der Mietvertrag wurde für eine feste Vertragsdauer von 10 Jahren abgeschlossen. Die Vermieterin hat sodann während der laufenden Mietdauer das Grundstück an eine AG (C) verkauft. Aus diesem Grund kündigte B das Mietverhältnis “ausserordentlich”. A hat diese Kündigung gestützt auf Art. 271 f. OR angefochten. Dieser Prozess ist jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden bundesgerichtlichen Verfahrens.

Parallel klagte A beim Handelsgericht des Kantons Zürich, der Mietvertrag sei als Vormerkung in das Grundbuch gemäss Art. 261b OR bzw. Art. 959 ZGB eintragen zu lassen. Das Handelsgericht ist auf die Klage nicht eingetreten.

Das Nichteintreten des Handelsgerichts ist auf Art. 243 Abs. 2 ZPO zurückzuführen. Gemäss dieser Norm findet im Bereich des Kündigungsschutzes das einfache Verfahren Anwendung. Das Handelsgericht ist sachlich bei Vorliegen des einfachen Verfahrens nicht zuständig, selbst wenn die Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 2 ZPO erfüllt sind.

Streitig war in diesem Fall, ob eine Klage gestützt auf Art. 261b OR i.V.m. Art. 959 ZGB betreffend die grundbuchliche Vormerkung eines Mietverhältnisses den Kündigungsschutz betrifft.

Das Bundesgericht geht von einer weiten Auffassung des Begriffes „Kündigungsschutz“ aus. Entscheidend sei, ob das Gericht über die Beendigung eines Mietverhältnisses befinden müsse. Die realobligatorische wirkende Vormerkung diene dazu, die auf Art. 261 Abs. 2 lit. a OR gestützte Eigenbedarfskündigung der neuen Eigentümer:in zu verunmöglichen.

Das Bundesgerichts kommt zum Schluss, dass eine grundbuchliche Vormerkung somit durchaus als Massnahme des Kündigungsschutzes anzusehen sei, auch wenn die konkrete Beendigung des Mietverhältnisses anders als in anderen Fällen vorliegend nicht zentral war.

Zusammenfassend hat das Bundesgericht festgehalten, dass Streitigkeiten über die Vormerkung von Mietverhältnissen an Wohn- und Geschäftsräumen im Grundbuch unter den Begriff des “Kündigungsschutzes” fallen, weshalb das einfache Verfahren zur Anwendung gelange. Das Handelsgericht sei zurecht auf die Klage nicht eingetreten. Die Beschwerde wurde somit abgewiesen.

Stockwerkeigentum: Richterliche Kompetenzen

Apartment House

Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 5A_726/2021 vom 15. Juni 2022 mit einer Streitigkeit unter Stockwerkeigentümern auseinandergesetzt und in diesem Zusammenhang festgehalten, welche richterliche Eingriffe in das Stockwerkeigentum zulässig sind.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 1966 wurde Stockwerkeigentum vor Erstellung des Gebäudes, bestehend aus 12 Stockwerkeinheiten aufgeteilt auf zwei Gebäude mit je 6 Stockwerkeinheiten, begründet. In der Folge wurde jedoch nur ein Gebäude gebaut und es entstanden nur 6 Stockwerkeinheiten. Die Fläche, welche für die Erstellung des anderen Gebäudes vorgesehen war, blieb bis heute unbebaut und ist seit 1974 nicht mehr überbaubar. Im Grundbuch ist aber nach wie vor Stockwerkeigentum mit 12 Stockwerkeinheiten eingetragen. Die sechs tatsächlich gebauten Stockwerkeinheiten stehen im Eigentum von 5 Personen und die sechs nicht gebauten Stockwerkeinheiten stehen im Eigentum zweier Personen, wobei einer Person 5 Stockwerkeinheiten gehören. Drei Eigentümer der tatsächlich gebauten Stockwerkeinheiten verlangen nun die Aufhebung des bestehenden Stockwerkeigentums, die Überführung der so abparzellierten unbebauten Fläche ins Miteigentum der bisherigen beiden Stockwerkeigentümer und die Begründung eines neuen Stockwerkeigentums für die tatsächlich gebauten Stockwerkeinheiten.

Die erste Instanz wies die Klage ab. Die zweite Instanz hob diesen Entscheid auf und wies die Sache zur Klärung der Überbaubarkeit der Grundstücke an die erste Instanz zurück. Die erste Instanz hiess die Klage in der Folge vollumfänglich gut. Die zweite Instanz hob diesen Entscheid infolge Berufung auf. Drei der Eigentümer der tatsächlich gebauten Stockwerkeinheiten gelangten mit Beschwerde ans Bundesgericht.

Die gerichtlichen Befugnisse, in ein Miteigentumsverhältnis einzugreifen, sind gesetzlich beschränkt. Das Gericht kann unter bestimmten, hier laut Bundesgericht nicht geltend gemachten Voraussetzungen, einen Miteigentümer aus der Gemeinschaft ausschliessen (Art. 649b ZGB) oder anordnen, dass die im Miteigentum stehende Sache körperlich geteilt wird, oder wenn dies ohne wesentliche Verminderung ihres Wertes nicht möglich ist, öffentlich oder unter den Miteigentümern versteigert wird (Art. 651 Abs. 2 ZGB). Die gerichtliche Zuweisung der im Miteigentum stehenden Sache gestatte das Gesetz nicht. Alle weiteren Entscheidbefugnisse des Gerichts würden vielmehr eine Vereinbarung oder übereinstimmende Begehren der Miteigentümer voraussetzen. So könne das Gericht die ganze Sache auf einen oder mehrere Miteigentümer unter Auskauf der übrigen übertragen, wenn sich die Miteigentümer über diese Teilungsart einig sind und nur darüber streiten, wem die Sache zu übertragen ist und wieviel der Auskauf betragen solle, oder gerichtlich könne ausnahmsweise der Austritt von einzelnen oder mehreren Miteigentümern angeordnet werden, wenn die übrigen Miteigentümer an der Gemeinschaft festhalten wollen und sich alle Beteiligten auf eine Abfindung des oder der Austretenden einigen.

Selbst für den Fall, dass das Gericht das Stockwerkeigentum in gewöhnliches Miteigentum zurückführen könnte, seien sich die Parteien vorliegend laut Bundesgericht in nichts einig und würden auch keine übereinstimmenden Anträge stellen. Es sei deshalb ausgeschlossen, nach Aufhebung des Stockwerkeigentums das Miteigentum an der nicht überbaubaren Fläche unter gleichzeitigem Ausschluss aller übrigen Miteigentümer gerichtlich zuzuweisen. Zudem seien hier die Voraussetzungen für einen Ausschluss einzelner Stockwerkeigentümer aus der Gemeinschaft nicht geltend gemacht worden. Eine gerichtliche Löschung der nicht gebauten Stockwerkeinheiten und damit verbunden der Ausschluss der Stockwerkeigentümer dieser Stockwerkeinheiten aus der Gemeinschaft, ohne dass die Voraussetzungen von Art. 649b ZGB dafür erfüllt wären, sei rechtlich ausgeschlossen. Die Prüfung des Grundbuchberichtigungsverfahren gemäss Art. 69 Abs. 4 GBV könne vorliegend daher ausbleiben.

Im Ergebnis wies das Bundesgericht die Beschwerde vollständig ab.

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Erbrecht – öffentliche Versteigerung von Grundstücken

house and keys

Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 5A_984/2021 vom 17. Mai 2022 mit einer Anordnung einer öffentlichen Versteigerung zweier Wohnungen auseinandergesetzt.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 2006 verstarb der Vater zweier Töchter und gesetzlicher Erbinnen desselben. In der Erbmasse befanden sich insbesondere zwei Wohnungen. Im Erbteilungsverfahren konnten sich die beiden Erbinnen nicht einigen, wie diese beiden Wohnungen zu teilen sind. Uneinigkeit besteht insbesondere betreffend die Frage, ob die Versteigerung unter den Erbinnen oder aber öffentlich erfolgen soll.

Die erste Instanz entschied, den Erbinnen 30 Tagen Zeit zu geben, um einen freihändigen Verkauf mit einer Käuferschaft ihrer Wahl zu vereinbaren. Für den Fall, dass für beide oder eine der Wohnungen die angesetzte Frist ungenutzt verstreichen sollte oder innert dieser Frist kein Freihandverkauf vereinbart werden könne, würde das betreffende Grundstück bzw. würden beide Grundstücke öffentlich versteigert werden. Die zweite Instanz bestätigte in der Folge diesen Entscheid.

Die gesetzlichen Erben können, wo es nicht anders angeordnet ist, die Teilung frei vereinbaren (Art. 607 Abs. 2 ZGB). Scheitert eine Einigung und hat auch der Erblasser keine anderslautenden Vorschriften aufgestellt (Art. 608 ZGB), finden die gesetzlichen Teilungsregeln Anwendung. Danach sollen die Erbschaftssachen – wenn immer möglich – in natura unter den Erben verteilt werden (Art. 610 Abs. 1 ZGB). Verliert eine Erbschaftssache durch Teilung wesentlich an Wert, soll sie einem der Erben ungeteilt zugewiesen werden (Art. 612 Abs. 1 ZGB). Laut bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist die Erbschaftssache nur dann zu verkaufen und der Erlös zu teilen, wenn der Wert dieser Erbschaftssache den Betrag eines Erbteils erheblich übersteigt.

Gemäss Art. 612 Abs. 3 ZGB hat auf Verlangen eines Erben der Verkauf auf dem Weg der Versteigerung stattzufinden, wobei, wenn die Erben sich nicht einigen, die zuständige Behörde entscheidet, ob die Versteigerung öffentlich oder nur unter den Erben stattfinden soll. Das Bundesgericht bestätigt seine Rechtsprechung, wonach das Gericht bei der Wahl zwischen der beiden Varianten sämtliche Umstände des Einzelfalls berücksichtigen muss. Wenn keiner der Erben ein Grundstück übernehmen wolle, komme ausschliesslich die öffentliche Versteigerung infrage. Dasselbe gelte, wenn nicht alle Erben bzw. nur einer von mehreren Erben über die erforderlichen Mittel verfügen, um das Grundstück zu erwerben. Während die öffentliche Versteigerung in aller Regel einen besseren Preis ermögliche, seien nicht allein die pekuniären Interessen der Erben massgebend. Zu berücksichtigen sei, wenn aus Pietätsgründen ein Grundstück im Eigentum der Familie verbleiben solle. Pietätsgründe könnten aber keine Rolle spielen, wenn von zwei Erben nur einer steigerungsfähig sei.

Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass die beschwerdeführende Tochter mit ihren Ausführungen bestätige, aktuell nicht in der Lage zu sein, den Preis für einen allfälligen Zuschlag aus eigenen Mitteln zu bezahlen. Mit der blossen Behauptung, «mit einer Liegenschaft als Sicherheit ohne weiteres privat entsprechende Kredite und Darlehen» erhältlich machen zu können, vermöge sie die Feststellung der Steigerungsunfähigkeit nicht als offensichtlich unrichtig auszuweisen. Das Steigerungsverfahren ist laut Bundesgericht von Vornherein nicht dazu bestimmt, eine nicht leistungsfähige oder gar eine nicht übernahmewillige Person an der Versteigerung teilnehmen und das Steigerungsergebnis in die Höhe treiben zu lassen, um bei einem allfälligen Zuschlag zu erklären, die Liegenschaft nicht übernehmen zu können. Allfällige Pietätsgründe können angesichts der Steigerungsunfähigkeit der beschwerdeführenden Tochter keine Berücksichtigung finden.

Im Ergebnis wies das Bundesgericht die Beschwerde vollständig ab und erachtete die Anordnung der öffentlichen Versteigerung als zulässig.

Fuss- und Fahrwegrecht: Umfang und Verlauf der Dienstbarkeit

Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 5A_472/2021 vom 29. März 2022 mit einem Fuss- und Fahrwegrecht auseinandergesetzt.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Zwei benachbarte Grundstücke X und Y sind je mit einem Einfamilienhaus mit Garage überbaut. Die Zufahrt ab der öffentlichen Strasse zum Grundstück X erfolgt über eine Stichstrasse, deren Benutzung ein im Grundbuch eingetragenes Fuss- und Fahrwegrecht von 3 m Breite zugunsten des Grundstücks X und zulasten des Grundstücks Y gewährleistet. Der Weg führt auf dem belasteten Grundstück Y über einen teils asphaltierten und teils mit Pflastersteinen belegten Platz zwischen den beiden Einfamilienhäusern, an den die beiden Garagen grenzen. Die Eigentümer der beiden Grundstücke waren sich über den Umfang und den Verlauf des Wegrechts nicht einig.

Ausgangspunkt für die Ermittlung von Inhalt und Umfang einer Dienstbarkeit ist der Grundbucheintrag (Art. 738 ZGB). Soweit dieser undeutlich ist, bestätigt das Bundesgericht die Ausführungen der Vorinstanz, wonach sich der Inhalt und Umfang der Dienstbarkeit diesfalls nach dem Erwerbsgrund und, soweit nicht schlüssig, nach der unangefochtenen Ausübung der Dienstbarkeit während längerer Zeit in gutem Glauben bestimmt. Trete die Dienstbarkeit baulich in Erscheinung bzw. lasse sie sich durch bauliche Massnahmen abgrenzen (sog. natürliche Publizität), so habe sich der Erwerber diesen Zustand im Zeitpunkt des Erwerbs grundsätzlich unabhängig von Grundbucheintrag und Begründungsakt entgegenhalten zu lassen.

Gemäss dem durch die Begründungsparteien unterschriebenen und den Grundbuchgeometer gezeichneten Situationsplan führt das Fuss- und Fahrwegrecht über das belastete Grundstück Y, um direkt und ohne Rücksicht auf den Standort der Garage auf dem Grundstück X auf dieses Grundstück X abbiegen zu können. Gestützt auf die Erscheinung des vorliegenden Fuss- und Fahrwegrechts und aufgrund der Bezeichnung im Grundbuch als Zugangs- und Zufahrtsrecht von 3 m Breite bestätigte das Bundesgericht in Abweichung des vorgenannten Situationsplans die Auffassung der Vorinstanz, wonach offenkundig sei, dass es den Eigentümern des Grundstücks X möglich sein müsse, ihre Garage zu erreichen, d.h. in diese mit einem Auto hineinzufahren und einzuparkieren. Der Umfang und Verlauf des Wegrechts entsprach laut Bundesgericht im zu beurteilenden Fall somit seiner tatsächlichen Erscheinung.

Empfehlung: Vor dem Erwerb eines mit einer Dienstbarkeit belasteten Grundstücks sollten allfällige Differenzen zwischen dem im Grundbuch hinterlegten Situationsplan und der tatsächlichen Erscheinung der Dienstbarkeit geklärt werden und falls nötig im Grundbuch präzisiert werden.

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Fuss- und Fahrwegrecht – Mehrbelastung

Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 5A_714/2021 vom 8. März 2022 mit einem Fuss- und Fahrwegrecht aus dem Jahr 1979 auseinander gesetzt.

Der Sachverhalt zeigt sich wie folgt: Das auf dem begünstigten Grundstück stehende Einfamilienhaus soll abgebrochen und durch ein Mehrfamilienhaus mit sechs Wohnungen, einer Sammelgarage für Oldtimer im Erdgeschoss und einer Tiefgarage mit 19 Plätzen sowie vier Abstellplätzen im Freien ersetzt werden. Die Eigentümer des mit dem Fuss- und Fahrwegrecht belasteten Grundstücks wehrten sich gegen die erteilte Baubewilligung und bestreiten die Zulässigkeit der Beanspruchung des Wegrechts sowohl für die Erwerber der Tiefgaragenplätze als auch derjenigen Person, die Oldtimer in der Garage einstellen möchte.

Ausgangspunkt für die Ermittlung von Inhalt und Umfang einer Dienstbarkeit ist der Grundbucheintrag (Art. 738 ZGB). Nur wenn sein Wortlaut unklar ist, darf auf den Erwerbsgrund (Begründungsakt) zurückgegriffen werden. Ist auch dieser nicht schlüssig, kann sich der Inhalt der Dienstbarkeit aus der Art ergeben, wie sie während längerer Zeit unangefochten und in gutem Glauben ausgeübt worden ist.

Der vorliegende Grundbucheintrag lautet lediglich “Fuss- und Fahrwegrecht”. Der Erwerbsgrund lautet wie folgt: “Der jeweilige Eigentümer der Liegenschaft […] räumt dem jeweiligen Eigentümer der Liegenschaft […] das freie und ungehinderte Fuss- und Fahrwegrecht auf der […] Zufahrtsstrasse ein. […]. Die Ausübung des Fahrwegrechts zu gewerblichen Zwecken ist untersagt.”

Vorliegend wurde ein gewerblicher Zweck verneint. Auch das Vorliegen einer unzumutbaren Mehrbelastung wurde abgetan. Die Eigentümer des belasteten Grundstücks müssen somit einen Mehrverkehr hinnehmen.

Empfehlung: Bei der Errichtung von Dienstbarkeiten sollten solche – hypothetische spätere Nutzungen – mitberücksichtigt und falls unerwünscht durch eine sorgfältige Formulierung ausgeschlossen werden.