Anpassungen Stockwerkeigentumsrecht?

Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 20. September 2024 die Vernehmlassung zu Änderungen des Zivilgesetzbuches betreffend das Stockwerkeigentum eröffnet (MM). Die Vernehmlassung dauert bis am 20. Dezember 2024.

Vorgeschlagen werden insbesondere folgende Änderungen (detaillierte Übersicht):

  • explizite Regelung der Sondernutzungsrechte an gemeinschaftlichen Teilen der Liegenschaft (z.B. Parkplätze oder Gärten);
  • Regelung des Kaufes von Stockwerkeigentum ab Plan;
  • Klagerecht für die Schaffung eines Erneuerungsfonds für die Finanzierung notwendiger Unterhalts- und Erneuerungsarbeiten (jedoch kein oblig. Erneuerungsfond);
  • Stockwerkeigentum im Baurecht: Mehrheitsbeschluss soll künftig für Verlängerung eines Baurechts genügen.

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Stockwerkeigentum: Nachbesserungsanspruch eines Stockwerkeigentümers aus Werkkaufvertrag

Das Bundesgericht hat sich im Urteil 4A_540/2022 vom 19. Dezember 2023 mit den Folgen einer einseitigen Änderung eines Bauprojekts durch die Unternehmerinnen – bzw. der einseitigen Einreichung eines neuen Baugesuchs – nach der Begründung von Stockwerkeigentum auseinandergesetzt. Es befasste sich namentlich mit der Frage, ob die Eigentumsrechte einzelner Stockwerkeigentümer verletzt worden sind. Dem Urteil unterlag folgender Sachverhalt:

Die Verkäuferinnen (Beschwerdegegnerinnen) planten und erstellten in den Jahren 2013-2015 eine Terrassenüberbauung, hinsichtlich welcher in der Projektphase Stockwerkeigentum begründet wurde. Sie verkauften die einzelnen Einheiten teilweise bereits während der Projektphase. Der Beschwerdegegner kaufte in diesem Rahmen zwei Stockwerkeigentumseinheiten bzw. Anteile davon mittels Grundstückkaufvertrag mit Bauleistungspflicht. Ohne den Beschwerdeführer in Kenntnis zu setzen, reichten die Verkäuferinnen (selbst auch Miteigentümerinnen) parallel dazu neue Baugesuche ein, welche genehmigt und umgesetzt wurden. Gemäss Beschwerdeführer stellen diese, den gemeinsamen Boden betreffenden, Änderungen Verletzungen der Eigentumsrechte der übrigen Stockwerkeigentümer dar. Er fordert die Herstellung der baulichen Situation gemäss Begründung von Stockwerkeigentum mit Aufteilungsplänen und den dazugehörigen im Grundbuch angemerkten Reglementen, so weit nicht der Innenausbau betroffen war. Die Vorinstanz wies seine Berufung insbesondere ab, weil der Beschwerdeführer ausschliesslich seinen werkvertraglichen Nachbesserungsanspruch und keine anderen Gewährleistungsrechte oder Schadenersatzansprüche oder allfällige sachenrechtliche Ansprüche geltend machte. Eine an sich mögliche Nachbesserung sei ohne Zustimmung der übrigen Stockwerkeigentümer nicht möglich.

Gemäss Beschwerdeführer ist für die Erstellung der Baute gemäss Begründungserklärung und Aufteilungsplänen kein Beschluss der Stockwerkeigentümer nötig. Das Bundesgericht führt hierzu aus, dass bei gemischten Verträgen mit kauf- und werkrechtlichen Elementen die werkvertraglichen Regeln über die Mängelhaftung nach Art. 368 ff. OR anzuwenden sind, sofern keine abweichenden Parteivereinbarungen vorliegen. Die von den Parteien für anwendbar erklärten SIA-Normen würden unter Umständen eine privilegierte Stellung zur Nachbesserung vorsehen. Der werkvertragliche Nachbesserungsanspruch des Beschwerdeführers richte sich gegen die Verkäuferinnen als Unternehmerinnen. Ein Unternehmen, das vertraglich die Erstellung einer Stockwerkeinheit übernimmt, sei gegenüber dem Besteller zur Ablieferung mängelfreier Werke verpflichtet. Dies betreffe auch Bauteile, die anderen Miteigentümern ebenfalls zur Nutzung zustehen. Dabei könne jeder einzelne Stockwerkeigentümer seine vertraglichen Nachbesserungsansprüche ungeteilt ausüben, falls diese gemeinsame Bauteile eines in Stockwerkeigentum aufgeteilten Werkes betreffen. Da die Verträge des Unternehmens mit den Stockwerkeigentümern in casu jedoch inhaltlich ungleich sind, ist gemäss Bundesgericht eine Koordination zwischen der Durchsetzung des werkvertraglichen Nachbesserungsanspruchs der einzelnen Erwerber und den Regeln über die Beschlussfassung der Stockwerkeigentümerschaft erforderlich. Vorliegend hatten die Beschwerdegegnerinnen die umstrittenen Projektänderungen nämlich nicht allen Miteigentümern vorgelegt. Somit haben einzelne Stockwerkeigentumseinheiten die betreffenden Abänderungen akzeptiert und die vertraglichen Erfüllungsansprüche der einzelnen Stockwerkeigentümer weichen voneinander ab. Das Bundesgericht spricht der Koordination vorliegend jedoch ihre Bedeutung ab, weil der Beschwerdeführer nicht in genügender Weise widerlegt habe, dass die übrigen Stockwerkeigentümer seinen Forderungen nie zustimmen würden. Vor diesem Hintergrund bestehe vorliegend somit einzig die Möglichkeit, den Rückbau gegen den Willen der anderen Stockwerkeigentümer durchzusetzen.

Der Beschwerdeführer vertrat weiter die Ansicht, dass sich seine dinglichen Abwehrrechte, welche durch die unberechtigte Beeinträchtigung der gemeinschaftlichen Teile entstehen, mit seinen vertraglichen Nachbesserungsansprüchen decken. Das Bundesgericht verneint dies und erwägt insbesondere, dass die Interessen aller Stockwerkeigentümer zu berücksichtigen seien. Diese müssten mit dem Rückbau einverstanden oder davon offensichtlich nicht betroffen sein. Ferner handle es sich vorliegend – entgegen der Meinung des Beschwerdeführers – nicht um eine notwendige Verwaltungshandlung, ohne welche die Stockwerkseinheit unverkäuflich sei: Weder der Rückbau noch die Anpassung der Quoten an die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse würden einen Kauf verunmöglichen.

Das Bundesgericht lässt schliesslich die Frage offen, inwiefern dem Verhältnis zu den übrigen Miteigentümern hinsichtlich der werkvertraglichen Fragen Bedeutung zukommt. Entscheidend sei, dass der Beschwerdeführer sein Anliegen unter Umgehung der übrigen Miteigentümer geklärt haben möchte und eine Erfüllung ohne vorherige Klärung der sachenrechtlichen Situation mit den betroffenen Stockwerkeigentümern anstrebt. Einem solchen Ansinnen sei nicht zu entsprechen.

Das oberste Gericht schliesst damit, dass der Rückbau den Beschwerdegegnerinnen nicht zuzumuten ist, solange nicht feststeht, in welchem Umfang der Beschwerdeführer den Rückbau mit Blick auf die anderen Stockwerkeigentümer tatsächlich verlangen kann. Die Beschwerdegegnerinnen müssten wissen, wem sie Realerfüllung und gegenüber wem sie Schadenersatz zu leisten haben. Eine verbindliche Entscheidung sei lediglich möglich, wenn sämtliche Stockwerkeigentümer in die Frage des Rückbaus miteinbezogen werden. Damit wird die Beschwerde abgewiesen.

Ausblick: wichtige Entscheide der RK-N stehen an

Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-N) wird nächste Woche in wichtigen Dossiers Entscheide fällen (vgl. Sitzungsplanung):

Ausgewählte Traktanden:

Dossier Zivilprozessrecht (Verbandsklage und kollektiver Vergleich / “Sammelklage”; Curia Vista: 21.082): Am 24. Juni 2022 hatte die RK-N in ihrer Medienmitteilung festgehalten, die Botschaft des Bundesrates lasse zu viele Fragen offen, und es sei somit nicht möglich, bereits über den Handlungsbedarf im Bereich des Ausbaus der kollektiven Rechtsdurchsetzung zu entscheiden. Die RK-N wird voraussichtlich nächste Woche über das Eintreten auf die Vorlage entscheiden.

Dossier Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz (“Projekt Justitia 4.0”; Curia Vista: 23.022): Die Vorlage bezweckt die Digitalisierung im Justizbereich: der digitale Wandel in der Schweizer Justiz in Straf-, Zivil- und Verwaltungsverfahren soll vorangetrieben werden. Nächste Woche soll die Detailberatung aufgenommen werden.

Dossier Unternehmensnachfolge/Erbrecht (Curia Vista: 22.049: Nachdem der Ständerat am 15. Juni 2023 auf die Vorlage nicht eingetreten ist (vgl. Amtliches Bulletin; Hauptbegründung: die Unternehmensnachfolge erfolge regelmässig einvernehmlich, weshalb keine Regelung notwendig sei), befasst sich nächste Woche die RK-N als zuständige Kommission des Nationalrates mit der Vorlage.

Dossier Bauvertragsrecht (Curia Vista: 22.066): Die Vorlage bezweckt die Stärkung der Rechte von privaten Haus- und Stockwerkeigentümer:innen sowie von professionellen Bauherr:innen. Die RK-N wird nächste Woche die Eintretensdebatte fortführen.

Stockwerkeigentum: Richterliche Kompetenzen

Apartment House

Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 5A_726/2021 vom 15. Juni 2022 mit einer Streitigkeit unter Stockwerkeigentümern auseinandergesetzt und in diesem Zusammenhang festgehalten, welche richterliche Eingriffe in das Stockwerkeigentum zulässig sind.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 1966 wurde Stockwerkeigentum vor Erstellung des Gebäudes, bestehend aus 12 Stockwerkeinheiten aufgeteilt auf zwei Gebäude mit je 6 Stockwerkeinheiten, begründet. In der Folge wurde jedoch nur ein Gebäude gebaut und es entstanden nur 6 Stockwerkeinheiten. Die Fläche, welche für die Erstellung des anderen Gebäudes vorgesehen war, blieb bis heute unbebaut und ist seit 1974 nicht mehr überbaubar. Im Grundbuch ist aber nach wie vor Stockwerkeigentum mit 12 Stockwerkeinheiten eingetragen. Die sechs tatsächlich gebauten Stockwerkeinheiten stehen im Eigentum von 5 Personen und die sechs nicht gebauten Stockwerkeinheiten stehen im Eigentum zweier Personen, wobei einer Person 5 Stockwerkeinheiten gehören. Drei Eigentümer der tatsächlich gebauten Stockwerkeinheiten verlangen nun die Aufhebung des bestehenden Stockwerkeigentums, die Überführung der so abparzellierten unbebauten Fläche ins Miteigentum der bisherigen beiden Stockwerkeigentümer und die Begründung eines neuen Stockwerkeigentums für die tatsächlich gebauten Stockwerkeinheiten.

Die erste Instanz wies die Klage ab. Die zweite Instanz hob diesen Entscheid auf und wies die Sache zur Klärung der Überbaubarkeit der Grundstücke an die erste Instanz zurück. Die erste Instanz hiess die Klage in der Folge vollumfänglich gut. Die zweite Instanz hob diesen Entscheid infolge Berufung auf. Drei der Eigentümer der tatsächlich gebauten Stockwerkeinheiten gelangten mit Beschwerde ans Bundesgericht.

Die gerichtlichen Befugnisse, in ein Miteigentumsverhältnis einzugreifen, sind gesetzlich beschränkt. Das Gericht kann unter bestimmten, hier laut Bundesgericht nicht geltend gemachten Voraussetzungen, einen Miteigentümer aus der Gemeinschaft ausschliessen (Art. 649b ZGB) oder anordnen, dass die im Miteigentum stehende Sache körperlich geteilt wird, oder wenn dies ohne wesentliche Verminderung ihres Wertes nicht möglich ist, öffentlich oder unter den Miteigentümern versteigert wird (Art. 651 Abs. 2 ZGB). Die gerichtliche Zuweisung der im Miteigentum stehenden Sache gestatte das Gesetz nicht. Alle weiteren Entscheidbefugnisse des Gerichts würden vielmehr eine Vereinbarung oder übereinstimmende Begehren der Miteigentümer voraussetzen. So könne das Gericht die ganze Sache auf einen oder mehrere Miteigentümer unter Auskauf der übrigen übertragen, wenn sich die Miteigentümer über diese Teilungsart einig sind und nur darüber streiten, wem die Sache zu übertragen ist und wieviel der Auskauf betragen solle, oder gerichtlich könne ausnahmsweise der Austritt von einzelnen oder mehreren Miteigentümern angeordnet werden, wenn die übrigen Miteigentümer an der Gemeinschaft festhalten wollen und sich alle Beteiligten auf eine Abfindung des oder der Austretenden einigen.

Selbst für den Fall, dass das Gericht das Stockwerkeigentum in gewöhnliches Miteigentum zurückführen könnte, seien sich die Parteien vorliegend laut Bundesgericht in nichts einig und würden auch keine übereinstimmenden Anträge stellen. Es sei deshalb ausgeschlossen, nach Aufhebung des Stockwerkeigentums das Miteigentum an der nicht überbaubaren Fläche unter gleichzeitigem Ausschluss aller übrigen Miteigentümer gerichtlich zuzuweisen. Zudem seien hier die Voraussetzungen für einen Ausschluss einzelner Stockwerkeigentümer aus der Gemeinschaft nicht geltend gemacht worden. Eine gerichtliche Löschung der nicht gebauten Stockwerkeinheiten und damit verbunden der Ausschluss der Stockwerkeigentümer dieser Stockwerkeinheiten aus der Gemeinschaft, ohne dass die Voraussetzungen von Art. 649b ZGB dafür erfüllt wären, sei rechtlich ausgeschlossen. Die Prüfung des Grundbuchberichtigungsverfahren gemäss Art. 69 Abs. 4 GBV könne vorliegend daher ausbleiben.

Im Ergebnis wies das Bundesgericht die Beschwerde vollständig ab.

Der Entscheid verdeutlicht die (rechtlichen) Herausforderungen im Zusammenhang mit Stockwerkeigentum. brumann müller recht verfügt über grosse Expertise im Immobilienrecht. Wir beraten und unterstützen Sie bei Fragen rund um den Erwerb von Immobilien sowie bei rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit bereits erworbenen Immobilien. Kontaktieren Sie uns.