Im Rahmen der Revision des internationalen Erbrechts (MM) gab es zwischen dem National- und dem Ständerat in den vergangenen Jahren verschiedene Differenzen (vgl. Debatte). An seiner Sitzung vom 12. Dezember 2023 hat der Ständerat nun die letzte Meinungsdifferenz zum Nationalrat beseitigt (SDA-Meldung und Votum Ständerat):
Die Revision des Bundesgesetzes über das internationale Privatrecht (IPRG) strebt die Angleichung an das EU-Recht an und soll die Zuständigkeiten der Staaten bzw. Behörden in grenzüberschreitenden Erbfällen klären.
Im Zentrum stehen Sachverhalte, in welchen Personen ihren Wohnsitz von der Schweiz ins Ausland verlegen, dort versterben und Vermögen in der Schweiz sowie an ihrem letzten Wohnsitz hinterlassen. Gegenstand der letzten bestehenden Differenz zwischen National- und Ständerat bildete die Rechtswahl – mittels Testament oder Erbvertrag – durch eine:n Schweizer Staatsbürger:in mit mehrfacher Staatsbürgerschaft. Der Ständerat vertrat zu Beginn die Ansicht, dass Schweizer:innen mit mehrfacher Staatsbürgerschaft keine Rechtswahl zustehen soll bzw. diese das Schweizer Recht wählen müssen. Der Nationalrat und der Bundesrat befürworteten diesen Vorschlag nicht. Der Nationalrat beanstandete insbesondere die dadurch entstehende Ungleichbehandlung von Schweizer:innen mit und ohne mehrfache Staatsbürgerschaft.
Der Ständerat hat dem Kompromissvorschlag des Nationalrats schliesslich zugestimmt, wonach Schweizer:innen mit mehrfacher Staatsangehörigkeit die Anwendbarkeit von ausländischem Recht wählen können sollen, jedoch die Pflichtteile gemäss Schweizer Recht unberührt lassen müssen.
Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-N) wird nächste Woche in wichtigen Dossiers Entscheide fällen (vgl. Sitzungsplanung):
Ausgewählte Traktanden:
Dossier Zivilprozessrecht (Verbandsklage und kollektiver Vergleich / “Sammelklage”; Curia Vista: 21.082): Am 24. Juni 2022 hatte die RK-N in ihrer Medienmitteilung festgehalten, die Botschaft des Bundesrates lasse zu viele Fragen offen, und es sei somit nicht möglich, bereits über den Handlungsbedarf im Bereich des Ausbaus der kollektiven Rechtsdurchsetzung zu entscheiden. Die RK-N wird voraussichtlich nächste Woche über das Eintreten auf die Vorlage entscheiden.
Dossier Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz (“Projekt Justitia 4.0”; Curia Vista: 23.022): Die Vorlage bezweckt die Digitalisierung im Justizbereich: der digitale Wandel in der Schweizer Justiz in Straf-, Zivil- und Verwaltungsverfahren soll vorangetrieben werden. Nächste Woche soll die Detailberatung aufgenommen werden.
Dossier Unternehmensnachfolge/Erbrecht (Curia Vista: 22.049: Nachdem der Ständerat am 15. Juni 2023 auf die Vorlage nicht eingetreten ist (vgl. Amtliches Bulletin; Hauptbegründung: die Unternehmensnachfolge erfolge regelmässig einvernehmlich, weshalb keine Regelung notwendig sei), befasst sich nächste Woche die RK-N als zuständige Kommission des Nationalrates mit der Vorlage.
Dossier Bauvertragsrecht (Curia Vista: 22.066): Die Vorlage bezweckt die Stärkung der Rechte von privaten Haus- und Stockwerkeigentümer:innen sowie von professionellen Bauherr:innen. Die RK-N wird nächste Woche die Eintretensdebatte fortführen.
Im Jahr 2021 reichte der Beschwerdeführer ein Arrestgesuch gegen die Erbschaft des verstorbenen B. (Beschwerdegegnerin) ein. Gleichzeitig reichte der Beschwerdeführer ein Gesuch um Vollstreckbarerklärung eines sogenannten «Lugano»-Urteils, mit welchem in einer Streitsache gegen B – vor seinem Tod – entschieden worden ist, ein.
Das Arrestgesuch wurde in beiden Instanzen abgewiesen und auf das Gesuch um Vollstreckbarkeitserklärung wurde nicht eingetreten. Der Beschwerdeführer wandte sich an das Bundesgericht und ersuchte Gutheissung des Arrestgesuches und Vollstreckbarerklärung des ausländischen Urteils.
Die Vorinstanz verweigerte das Arrestgesuch aufgrund des fehlenden Betreibungsortes in der Schweiz. Aufgrund dessen wurde auch die Vollstreckbarkeitserklärung abgelehnt, da ein Rechtsschutzinteresse fehle, zumal der Arrest nicht möglich sei.
Der Arrest stellt eine Massnahme zur Sicherung von Geldforderungen dar. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich in internationalen Fällen nach Art. 39 Abs. 2 LugÜ. Sie knüpft entweder an den Wohnsitz des Schuldners oder an den Ort, an dem die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll, an. Der häufigste Betreibungsort für Schuldner im Ausland ist der Arrestort nach Art. 52 SchKG. Diese Norm hält fest, dass die Betreibung auch dort erfolgen kann, wo sich der Arrestgegenstand befindet. In Bezug auf Erbschaften hält aber Art. 49 SchKG fest, dass eine Erbschaft an dem Ort zu betreiben ist, in dem der Erblasser zur Zeit des Todes betrieben werden konnte. Es stellte sich somit die Frage, ob ein Arrest zu Lebzeiten hätte vollzogen werden müssen, um einen Arrest gegenüber einer ungeteilten Erbschaft vollziehen zu können.
Zunächst beschäftigte sich das Bundesgericht mit der Frage, ob ein Arrest gegen eine ungeteilte Erbschaft überhaupt möglich sei. Diese Frage ist in der Lehre umstritten. Ein Teil der Lehre lehnt dies gestützt auf BGE 120 III 39 ab. Andererseits wird argumentiert, dass eine Betreibung gegen die unverteilte Erbschaft allgemein möglich sei, daher müsse auch die Möglichkeit der Sicherungsmassnahme bestehen bleiben.
In Bezug auf den Betreibungsort nahm das Bundesgericht eine Auslegung von Art. 49 und Art. 52 SchKG vor. Es kam zum Schluss, dass die Vorinstanz zu Unrecht angenommen habe, der Betreibungsort am Ort des Arrestes nach Art. 52 SchKG sei hier nicht anwendbar, da kein Arrest zu Lebzeiten erfolgt war. Somit fällt auch das Argument des fehlenden Rechtsschutzinteresses dahin.
Die Beschwerde wurde vom Bundesgericht gutgeheissen und die Sache wurde teilweise an die Erstinstanz zur neuen Beurteilung zurückgewiesen.
Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 5A_984/2021 vom 17. Mai 2022 mit einer Anordnung einer öffentlichen Versteigerung zweier Wohnungen auseinandergesetzt.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 2006 verstarb der Vater zweier Töchter und gesetzlicher Erbinnen desselben. In der Erbmasse befanden sich insbesondere zwei Wohnungen. Im Erbteilungsverfahren konnten sich die beiden Erbinnen nicht einigen, wie diese beiden Wohnungen zu teilen sind. Uneinigkeit besteht insbesondere betreffend die Frage, ob die Versteigerung unter den Erbinnen oder aber öffentlich erfolgen soll.
Die erste Instanz entschied, den Erbinnen 30 Tagen Zeit zu geben, um einen freihändigen Verkauf mit einer Käuferschaft ihrer Wahl zu vereinbaren. Für den Fall, dass für beide oder eine der Wohnungen die angesetzte Frist ungenutzt verstreichen sollte oder innert dieser Frist kein Freihandverkauf vereinbart werden könne, würde das betreffende Grundstück bzw. würden beide Grundstücke öffentlich versteigert werden. Die zweite Instanz bestätigte in der Folge diesen Entscheid.
Die gesetzlichen Erben können, wo es nicht anders angeordnet ist, die Teilung frei vereinbaren (Art. 607 Abs. 2 ZGB). Scheitert eine Einigung und hat auch der Erblasser keine anderslautenden Vorschriften aufgestellt (Art. 608 ZGB), finden die gesetzlichen Teilungsregeln Anwendung. Danach sollen die Erbschaftssachen – wenn immer möglich – in natura unter den Erben verteilt werden (Art. 610 Abs. 1 ZGB). Verliert eine Erbschaftssache durch Teilung wesentlich an Wert, soll sie einem der Erben ungeteilt zugewiesen werden (Art. 612 Abs. 1 ZGB). Laut bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist die Erbschaftssache nur dann zu verkaufen und der Erlös zu teilen, wenn der Wert dieser Erbschaftssache den Betrag eines Erbteils erheblich übersteigt.
Gemäss Art. 612 Abs. 3 ZGB hat auf Verlangen eines Erben der Verkauf auf dem Weg der Versteigerung stattzufinden, wobei, wenn die Erben sich nicht einigen, die zuständige Behörde entscheidet, ob die Versteigerung öffentlich oder nur unter den Erben stattfinden soll. Das Bundesgericht bestätigt seine Rechtsprechung, wonach das Gericht bei der Wahl zwischen der beiden Varianten sämtliche Umstände des Einzelfalls berücksichtigen muss. Wenn keiner der Erben ein Grundstück übernehmen wolle, komme ausschliesslich die öffentliche Versteigerung infrage. Dasselbe gelte, wenn nicht alle Erben bzw. nur einer von mehreren Erben über die erforderlichen Mittel verfügen, um das Grundstück zu erwerben. Während die öffentliche Versteigerung in aller Regel einen besseren Preis ermögliche, seien nicht allein die pekuniären Interessen der Erben massgebend. Zu berücksichtigen sei, wenn aus Pietätsgründen ein Grundstück im Eigentum der Familie verbleiben solle. Pietätsgründe könnten aber keine Rolle spielen, wenn von zwei Erben nur einer steigerungsfähig sei.
Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass die beschwerdeführende Tochter mit ihren Ausführungen bestätige, aktuell nicht in der Lage zu sein, den Preis für einen allfälligen Zuschlag aus eigenen Mitteln zu bezahlen. Mit der blossen Behauptung, «mit einer Liegenschaft als Sicherheit ohne weiteres privat entsprechende Kredite und Darlehen» erhältlich machen zu können, vermöge sie die Feststellung der Steigerungsunfähigkeit nicht als offensichtlich unrichtig auszuweisen. Das Steigerungsverfahren ist laut Bundesgericht von Vornherein nicht dazu bestimmt, eine nicht leistungsfähige oder gar eine nicht übernahmewillige Person an der Versteigerung teilnehmen und das Steigerungsergebnis in die Höhe treiben zu lassen, um bei einem allfälligen Zuschlag zu erklären, die Liegenschaft nicht übernehmen zu können. Allfällige Pietätsgründe können angesichts der Steigerungsunfähigkeit der beschwerdeführenden Tochter keine Berücksichtigung finden.
Im Ergebnis wies das Bundesgericht die Beschwerde vollständig ab und erachtete die Anordnung der öffentlichen Versteigerung als zulässig.
Gemäss Bundesrat stehen bis zu 16 000 Unternehmen vor der Frage einer Nachfolgeregelung. Schätzungsweise 3 400 seien wegen der erbrechtlichen Regelung potenziell von Finanzierungsproblemen betroffen.
Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 10. Juni 2022 die Botschaft zu einer Änderung des Zivilgesetzbuches verabschiedet (Medienmitteilung). Die Reform soll zu einer höheren Stabilität insbesondere von Schweizer KMU beitragen und Arbeitsplätze sichern.
Bereits per 1. Januar 2023 wird die Pflichtteilsregelung angepasst. Künftig können Erblasser:innen über einen grösseren Teil ihres Nachlasses frei verfügen. Die Reduktion des Pflichtteils schafft auch grössere Flexibilotät bei der erbrechtlichen Unternehmensnachfolge und erleichtert somit die Übertragung eines Unternehmens auf eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger. Die heute verabschiedete Botschaft schlägt weitere Massnahmen vor.