Lex Koller: Rückforderungsanspruch nach Art. 26 BewG

Das Bundesgesetz über den Grundstückerwerb durch Personen im Ausland (BewG, Lex Koller) bezweckt, “die Überfremdung des einheimischen Bodens zu verhindern”. Dem Grundsatze nach müssen Personen im Ausland einen Grundstückerwerb bewilligen lassen (Art. 2 Abs. 1 BewG). Dies setzt voraus, dass ein Bewilligungsgrund (z.B. der Erwerb einer Ferienwohnung) vorliegt. Daneben kennt das Gesetz Ausnahmen, d.h. nicht bewilligungspflichtige Geschäfte, wie beispielsweise der Erwerb einer Betriebsstätte.

Was sind die Rechtsfolgen eines Grundstückerwerbes, welcher ohne die erforderliche Bewilligung erfolgte?

Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 4A_378/2022 vom 30. März 2023 mit folgendem Sachverhalt auseinandergesetzt:

Die Parteien schlossen einen “Darlehensvertrag” in der Höhe von CHF 1.8 Mio. zwecks Erwerbes eines Mehrfamilienhauses. Gemäss Vorinstanz war die Beschwerdegegnerin (Darlehensgeberin) im Zeitpunkt der Darlehensgewährung als ausländische Person im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. c BewG (ausländische Beherrschung) zu qualifizieren. Das Darlehen der Beschwerdegegnerin habe den Erwerb eines Mehrfamilienhauses durch die Beschwerdeführerin (Darlehensnehmerin) ermöglicht und komme aus Sicht der Beschwerdegegnerin einem dinglichen Erwerb der Liegenschaft gleich. Folglich sei der Erwerb mittels dieses Darlehens bewilligungspflichtig gewesen.

Das Bundesgericht hält fest, dass Rechtsgeschäfte über einen Grundstückserwerb nichtig werden, wenn der Erwerber das Rechtsgeschäft vollzieht, ohne um die Bewilligung nachzusuchen (Art. 26 Abs. 3 BewG). Die Nichtigkeit hat zur Folge, dass Leistungen innerhalb eines Jahres zurückgefordert werden können, seit der Kläger Kenntnis von seinem Rückforderungsanspruch hat (Art. 26 Abs. 4 lit. b BewG). Die Rückforderung von Geldleistungen gemäss Art. 26 Abs. 4 lit. b BewG erfolgt nach den Bestimmungen über die ungerechtfertigte Bereicherung gemäss Art. 62 ff. OR. Vorliegend war der Darlehensvertrag nichtig und von Anfang an (ex tunc) unwirksam. Entsprechend lag bereits mit Auszahlung der Darlehenssumme an die Beschwerdeführerin ein fälliger Rückforderungsanspruch vor.

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Arbeitsrecht: Ferienentschädigung bei Vollzeitanstellung

Das Bundesgericht befasste sich mit Urteil 4A_357/2022 vom 30. Januar 2023 mit der Frage, inwiefern bei einer (Vollzeit-)Beschäftigung einer Arbeitnehmerin eine Ferienentschädigung zu entrichten ist.

Folgender Sachverhalt lag dem Urteil zugrunde:

Die Arbeitnehmerin (Beschwerdegegnerin) war bei der Arbeitgeberin (Beschwerdeführerin) als Betriebsarbeiterin mit einem 100 %-Pensum im Stundenlohn angestellt. Im Arbeitsvertrag wurde eine Ferienentschädigung von 8.33 % bzw. 10. 64 % vereinbart. Aufgrund der Corona-Pandemie ordnete die Arbeitgeberin Zwangsferien an. In der Folge verlangte die Arbeitnehmerin unter anderem die Bezahlung einer Ferienentschädigung. Die gestellten Forderungen wurden von den Vorinstanzen gutgeheissen. Nun gelangt die Arbeitgeberin mittels Beschwerde an das Bundesgericht und beantragt die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides in Bezug auf die Ferienentschädigung.

Die Arbeitgeberin rügt eine Verletzung von Art. 329d Abs. 1 OR. Sie wirft der Vorinstanz vor, die Rechtsprechung nicht beachtet zu haben, welche eine Abweichung dieser Gesetzesnorm in gewissen Fällen rechtfertigt. Art. 329d Abs. 1 OR sieht vor, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Ferien vergüten sowie angemessen entschädigen muss. Gemäss Rechtsprechung bedeutet dies, dass der Arbeitnehmer während seinen Ferien lohmässig nicht schlechter gestellt werden darf, wie wenn er gearbeitet hätte (BGE 136 III 283). Ferner ist es nicht zulässig, dass die Ferien während der Dauer des Arbeitsverhältnisses durch Geld oder andere Vergütungen abgegolten werden.

Dieses Verbot ist allerdings bei unregelmässigen Arbeitsverhältnissen schwierig umzusetzen, weswegen das Bundesgericht eine Abweichung des Gesetzestextes für spezifische Fälle zulässt. Die Voraussetzungen dafür sind: Eine unregelmässige Beschäftigung, eine klare Ausscheidung des für die Ferien bestimmten Lohnanteiles, wenn ein schriftlicher Arbeitsvertrag vorliegt und die explizite Ausweisung des bestimmten Lohnanteiles in den einzelnen Lohnabrechnungen (BGE 129 III 493). Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, muss der Arbeitgeber den auf die Ferien entfallenden Lohn bezahlen. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer die ihm zustehenden Ferien tatsächlich bezogen hat, ändert daran nichts. 

Die Arbeitgeberin ging vorliegend aufgrund von Schwankungen im Arbeitspensum der Arbeitnehmerin davon aus, es handle sich um eine unregelmässige Tätigkeit. Die Voraussetzung der Unregelmässigkeit wird allerdings vom Bundesgericht sehr eng umschrieben. Der Sinn von Art. 329d Abs. 1 OR ist, den Arbeitnehmer zu schützen und zu gewährleisten, dass er sich in den Ferien auch tatsächlich erholen kann. Aufgrund dieses Schutzgedankens wird eine Abweichung nur in seltenen Fällen angenommen. Das Bundesgericht hält in seinem Urteil ausdrücklich fest, dass bei einer 100 %-Anstellung beim gleichen Arbeitgeber eine Abweichung von Art. 329d Abs. 1 OR nicht gerechtfertigt ist.

Somit wurde die Beschwerde durch das Bundesgericht abgewiesen.

Grundstückerwerb durch Personen im Ausland

Das Bundesgesetz über den Grundstückerwerb durch Personen im Ausland (Bewilligungsgesetz, Lex Koller) regelt die Frage, unter welchen Voraussetzungen und innerhalb welcher Grenzen sog. Personen im Ausland Grundstücke in der Schweiz oder Beteiligungen an Gesellschaften, deren Zweck der Erwerb von Grundstücken ist, erwerben können.

Am 2. Andermatt Tourism Law Forum vom 9./10. März 2023 durften wir das Thema “Lex Koller und (ausländische) Investitionen” (mit)diskutieren.

Unsere Präsentation finden Sie hier.

Auf Bundesebene wird aktuell eine Anpassung des Bewilligungsgesetzes diskutiert: Künftig sollen Personalhäuser als Betriebsstätte behandelt werden (Motion 22.4413). Dies würde bedeuten, dass künftig der Erwerb von Personalhäusern auch Personen im Ausland ermöglicht würde. In Anbetracht der Knappheit des Wohnraums für Arbeitnehmer*innen in Tourismusgebieten ein berechtigtes Anliegen.

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Wer ist Eigentümer:in einer Quelle?

Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 5A_420/2022 vom 8. Dezember 2022 mit dem Eigentum an einer Quelle auseinandergesetzt.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: A, B und C sind Miteigentümer einer Parzelle in der Gemeinde Brig-Glis, auf der eine Quelle entspringt. Auf Klage dieser Miteigentümer stellte die erste Instanz fest, dass sich die genannte Quelle im Privateigentum der Miteigentümer befindet. Auf entsprechende Berufung der Einwohnergemeinde Brig-Glis wurde dieser erstinstanzliche Entscheid aufgehoben und festgehalten, dass es sich bei der Quelle um eine Bachquelle im öffentlichen Eigentum der Gemeinde Brig-Glis handelt. Gegen diesen Entscheid gelangten die Miteigentümer mit Beschwerde ans Bundesgericht.

Quellen sind gestützt auf das Akzessionsprinzip grundsätzlich Bestandteile der Grundstücke, auf welchen sie hervortreten (Art. 667 Abs. 2 ZGB, Art. 704 Abs. 1 ZGB); das Eigentum am Grundstück erstreckt sich daher auch auf die darauf entspringende Quelle. In Abgrenzung dazu besteht an öffentlichen Gewässern unter Vorbehalt anderweitigen Nachweises kein Privateigentum (Art. 664 Abs. 2 ZGB).

Unterschieden werden laut Bundesgericht Privatquellen, auf welche Art. 704 Abs. 1 ZGB Anwendung findet, und öffentliche Bach- oder Flussquellen. Das Bundeszivilrecht nennt die Kriterien nicht, nach denen aufgrund von Art. 664 Abs. 1 ZGB der Hoheit der Kantone unterstellte Gewässer als öffentlich zu betrachten sind. Diese Definition ist Sache der Kantone. Macht der Kanton von dieser Regelungskompetenz Gebrauch, wird die Öffentlichkeit des Gewässers durch einen Akt des Gesetzgebers begründet; das grundsätzlich als Bestandteil des umgebenden Erdbodens im Privateigentum stehende Gewässer wird somit als öffentlich konstituiert.

Der Kanton Wallis hat von der ihm zustehenden Kompetenz Gebrauch gemacht. Gemäss Art. 163 Abs. 3 EG ZGB fallen Wasserläufe ab demjenigen Punkt, wo sie entspringen, in das öffentliche Eigentum der Gemeinden. Ebenfalls in den Bereich des öffentlichen Gemeindeeigentums gehören grundsätzlich die unterirdischen Gewässer mit einer mittleren Wassermenge von mehr als 300 Liter/Minute (Art. 163 Abs. 4 EG ZGB). Anders als bei unterirdischen Gewässern regelt das kantonale Recht nicht, welche Mächtigkeit und/oder Stetigkeit der oberirdische Wasserlauf aufweisen muss, um als öffentliches Gewässer zu gelten. Damit sind im Kanton Wallis grundsätzlich alle Wasserläufe öffentlich.

Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist zur Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Wasseraustritt als Bachquelle zu qualifizieren ist, in erster Linie zu prüfen, ob der Wasserausstoss, unabhängig davon, ob das Wasser an einem oder mehreren Orten austritt, von Anfang an einen Wasserlauf – einen Bach – bildet. Ob das entspringende Wasser von Anfang an einen Wasserlauf bzw. einen Bach bildet, sei daran zu messen, ob es sich aufgrund der Mächtigkeit und Stetigkeit des Wasseraustritts ein Bett mit festen Ufern schafft oder zu schaffen vermöchte, wäre es nicht gefasst worden.

Vorliegend war unbestritten, dass das Wasser der Quelle an mehreren Orten austrat, dass das Wasser durch die Miteigentümer weder gefasst noch genutzt wurde, und dass sich vor der zu Messzwecken durch die Gemeinde Brig-Glis erstellten Fassung weder ein Bachbett noch ein Bachlauf gebildet hatte. Das Wasser versickerte. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sei eine Quelle nicht gleichsam abstrakt anhand der Mächtigkeit und Stetigkeit des Wasserausstosses bzw. der Folgen einer künstlichen Fassung als privat oder als öffentlich einzustufen. Wurde eine Quelle nicht gefasst, so äussert sich ihre Mächtigkeit und Stetigkeit laut Bundesgericht gerade darin, ob sich von Anfang an ein Wasserlauf gebildet, diese sich mit anderen Worten ein Bett mit festen Ufern zu schaffen vermocht hat. Es sei auf den ursprünglichen Zustand der Quelle abzustellen und nicht auf die Veränderung, die sich durch den von Menschenhand geführten Eingriff ergeben habe. Dies müsse erst recht gelten, wenn dieser Eingriff – wie hier – nicht durch die Grundeigentümer selbst veranlasst bzw. vorgenommen worden sei.

Ebenso wenig treffe die Überlegung zu, bei einer Mehrzahl von Wasseraustritten stehe der fehlende Bachlauf einer Qualifizierung einer Quelle als Bachquelle nicht entgegen, sofern deren Leistung insgesamt geeignet sei, einen Bachlauf zu bilden. Laut Bundesgericht fehlt ohne Wasserlauf bzw. Bach vielmehr jede Anknüpfung an ein öffentliches Gewässer, die es erlaubt, die Quelle als Teil des von ihr gebildeten Wasserlaufs zu betrachten.

Im Ergebnis stellte das Bundesgericht fest, dass die Quelle gerade nicht die Mächtigkeit und Stetigkeit besass, sich ein Bett mit festen Ufern zu schaffen, und nicht von Anfang an einen Wasserlauf bildete. Die Quelle sei daher eine Privatquelle im Sinne von Art. 704 Abs. 1 ZGB.

Das Bundesgericht hiess die Beschwerde der Miteigentümer vollumfänglich gut.

Ergänzungsleistungen: Kürzung infolge Aufnahme einer Mitbewohnerin

Das Bundesgericht hat sich im Urteil 9C_326/2022 vom 23. November 2022 mit dem Umfang von Ergänzungsleistungen zur AHV/IV im Rahmen eines Mietverhältnisses befasst.

Folgender Sachverhalt lag dem Urteil zugrunde:

Der Beschwerdegegner bezieht Ergänzungsleistungen (EL) zu seiner Invalidenrente. Im April 2021 berechnete das Amt für Sozialbeiträge des Kantons Basel-Stadt (ABS) den EL-Anspruch des Beschwerdegegners neu und verlangte in diesem Zusammenhang eine Rückzahlung in der Höhe von CHF 7’543. Grund dafür war die Tatsache, dass eine weitere Person als Mitbewohnerin im Haushalt des Beschwerdegegners lebte, weshalb die Mietkosten hälftig auf den Beschwerdegegner und hälftig auf die Mitbewohnerin zu teilen seien. Der bisher ausbezahlte Beitrag berücksichtigte den gesamten Mietzins und war dementsprechend gemäss ABS zu hoch.

Gegen diese Verfügung erhob der Beschwerdegegner Einsprache, welche teilweise gutgeheissen wurde. Die Auffassung über die aufzuteilenden Mietzinsen blieb jedoch bestehen. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt hat die Beschwerde gegen den Einspracheentscheid gutgeheissen. Das ABS ist mittels Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgerichts gelangt.

Das Bundesgericht befasste sich mit der Frage, ob die Vorinstanz durch die Gutheissung der Beschwerde gegen Art. 16c ELV verstossen habe, in dem sie dem EL-Empfänger den gesamten Mietzins zugesprochen habe.

Ergänzungsleistungen werden nach Art. 9 Abs. 1 ELG grundsätzlich für anerkannte Ausgaben, die die anrechenbaren Einnahmen übersteigen, ausbezahlt. Zu diesen Ausgaben zählt auch der Mietzins einer Wohnung dazu. Art. 16c Abs. 1 ELV legt allerdings fest, dass der Mietzinsanteil der nicht in die EL-Berechnung berücksichtigte Personen bei der Höhe der Ergänzungsleistungen ausser Acht gelassen werden muss. Der Mietzins muss dabei zu gleichen Teilen durch die im gleichen Haushalt lebenden Personen getragen werden (Art. 16c Abs. 2 ELV). Der Grund dafür liege in der nicht gewollten indirekten Mitfinanzierung von Personen, die nicht in der EL-Berechnung umfasst seien.

Von dieser Regel können Ausnahmen bestehen, nämlich dann, wenn die EL-berechtige Person den grössten Teil der Wohnung nutzt oder wenn das gemeinsame Wohnen aufgrund einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht, wie z. B. einer Unterstützungspflicht erfolgt (vgl. BGE 105 V 271). Das Vorliegen von Ausnahmen wurde entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners verneint. Das altruistische Motiv des Beschwerdegegners für die Aufnahme der Person in der eigenen Wohnung reicht für eine sittliche Pflicht nicht aus. Auch unbeachtlich ist, dass die fragliche Person gleichzeitig andere Wohnungen gemietet hat, in denen sie aber effektiv nicht gelebt hat. Es wird in diesem Rahmen nämlich bloss auf das faktische und gemeinsame «Bewohnen» abgestellt.

Folglich lag keine von der Praxis anerkannte Ausnahme vor und die Beschwerde wurde mit Hinblick auf die Aufteilung des Mietzinses vom Bundesgericht gutgeheissen.

Zuständigkeit der KESB bei einem Wegzug des Kindes

Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 5A_773/2021 vom 22. November 2022 mit der Zuständigkeit der KESB bei einem Wegzug des Kindes auseinandergesetzt.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 2007 ist das Kind der unverheirateten und getrenntlebenden Eltern geboren. Es steht unter der alleinigen Sorge und Obhut der Mutter. Im Jahr 2019 entzog die KESB Hochdorf dem Kindsvater insbesondere das Recht auf persönlichen Verkehr mit dem Kind und ordnete an, dass der Entzug jährlich zu überprüfen sei. Hierbei schrieb die KESB Hochdorf verschiedene Anträge des Vaters im Zusammenhang mit der erneuten Errichtung einer Besuchsbeistandschaft als erledigt vom Verfahren ab. Das Kind lebte im Zeitpunkt dieses Entscheids nicht mehr im Zuständigkeitsbereich der KESB Hochdorf. Gegen diesen Entscheid erhob der Vater Beschwerde. Die erste Instanz wies die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat. Nun gelangte der Vater mit Beschwerde ans Bundesgericht und rügte insbesondere die Unzuständigkeit der KESB Hochdorf, die hier als erste Instanz entschied.

Zuständig für den Erlass einer Massnahme ist die KESB am Wohnsitz der betroffenen Person. Ist ein Verfahren rechtshängig, so bleibt die Zuständigkeit bis zu dessen Abschluss auf jeden Fall erhalten (Art. 314 Abs. 1 i.V.m. Art. 442 Abs. 1 ZGB). Wechselt eine Person, für die eine Massnahme besteht, ihren Wohnsitz, so übernimmt die Behörde am neuen Ort die Massnahme ohne Verzug, sofern keine wichtigen Gründe dagegen sprechen (Art. 314 Abs. 1 i.V.m. Art. 442 Abs. 5 ZGB). Die KESB prüft ihre Zuständigkeit von Amtes wegen (Art. 314 Abs. 1 i.V.m. Art. 444 Abs. 1 ZGB). Die Zuständigkeitsbestimmungen sind laut der Botschaft des Bundesrats zwingender Natur und eine Einlassung fällt grundsätzlich ausser Betracht. Entscheidet eine örtlich unzuständige KESB, führt dies grundsätzlich zur Aufhebung des mit einem Rechtsmittel angefochtenen Entscheids von Amtes wegen.

Unbestritten war vorliegend, dass die KESB örtlich nicht zuständig war, den streitbetroffenen Entscheid zu fällen. Der Vater hat die fehlende örtliche Zuständigkeit der Behörde sodann bereits im Rechtsmittelverfahren vor der Vorinstanz gerügt. Unter diesen Umständen durfte die Vorinstanz laut Bundesgericht nach dem Ausgeführten nicht auf die Aufhebung des Entscheids der KESB verzichten.

So habe der anwaltlich vertretene Vater den Einwand der örtlichen Unzuständigkeit erst im Rechtsmittelverfahren erhoben, obgleich er die entsprechende Problematik bereits während des Verfahrens vor der KESB Hochdorf hätte erkennen können. Allerdings sei nicht massgebend, ob das Verhalten des Vaters gegen Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 BV) verstosse, da die KESB Hochdorf und die Vorinstanz die Unzuständigkeit der KESB Hochdorf von Amtes wegen hätten prüfen müssen. Laut Bundesgericht sprechen auch prozessökonomische Gründe nicht dafür, auf die Aufhebung des Entscheids der KESB Hochdorf zu verzichten. Sodann sei auch eine Einlassung im Verfahren vor der KESB nicht möglich. Es ist laut Bundesgericht unerheblich, ob der Vater die örtliche Unzuständigkeit im Verfahren vor der KESB Hochdorf gerügt hat oder nicht.

Im Ergebnis hiess das Bundesgericht die Beschwerde des Vaters in Bezug auf die Frage der Unzuständigkeit der KESB Hochdorf gut und wies die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück.

Arrest einer Erbschaft

Mit Urteil 5A_103/2022 vom 31. Oktober 2022 (zur Publikation vorgesehen) hat sich das Bundesgericht mit dem Arrest einer Erbschaft beschäftigt.

Folgender Sachverhalt lag dem Urteil zugrunde:

Im Jahr 2021 reichte der Beschwerdeführer ein Arrestgesuch gegen die Erbschaft des verstorbenen B. (Beschwerdegegnerin) ein. Gleichzeitig reichte der Beschwerdeführer ein Gesuch um Vollstreckbarerklärung eines sogenannten «Lugano»-Urteils, mit welchem in einer Streitsache gegen B – vor seinem Tod – entschieden worden ist, ein.

Das Arrestgesuch wurde in beiden Instanzen abgewiesen und auf das Gesuch um Vollstreckbarkeitserklärung wurde nicht eingetreten. Der Beschwerdeführer wandte sich an das Bundesgericht und ersuchte Gutheissung des Arrestgesuches und Vollstreckbarerklärung des ausländischen Urteils.

Die Vorinstanz verweigerte das Arrestgesuch aufgrund des fehlenden Betreibungsortes in der Schweiz. Aufgrund dessen wurde auch die Vollstreckbarkeitserklärung abgelehnt, da ein Rechtsschutzinteresse fehle, zumal der Arrest nicht möglich sei.

Der Arrest stellt eine Massnahme zur Sicherung von Geldforderungen dar. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich in internationalen Fällen nach Art. 39 Abs. 2 LugÜ. Sie knüpft entweder an den Wohnsitz des Schuldners oder an den Ort, an dem die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll, an. Der häufigste Betreibungsort für Schuldner im Ausland ist der Arrestort nach Art. 52 SchKG. Diese Norm hält fest, dass die Betreibung auch dort erfolgen kann, wo sich der Arrestgegenstand befindet. In Bezug auf Erbschaften hält aber Art. 49 SchKG fest, dass eine Erbschaft an dem Ort zu betreiben ist, in dem der Erblasser zur Zeit des Todes betrieben werden konnte. Es stellte sich somit die Frage, ob ein Arrest zu Lebzeiten hätte vollzogen werden müssen, um einen Arrest gegenüber einer ungeteilten Erbschaft vollziehen zu können.

Zunächst beschäftigte sich das Bundesgericht mit der Frage, ob ein Arrest gegen eine ungeteilte Erbschaft überhaupt möglich sei. Diese Frage ist in der Lehre umstritten. Ein Teil der Lehre lehnt dies gestützt auf BGE 120 III 39 ab. Andererseits wird argumentiert, dass eine Betreibung gegen die unverteilte Erbschaft allgemein möglich sei, daher müsse auch die Möglichkeit der Sicherungsmassnahme bestehen bleiben.

In Bezug auf den Betreibungsort nahm das Bundesgericht eine Auslegung von Art. 49 und Art. 52 SchKG vor. Es kam zum Schluss, dass die Vorinstanz zu Unrecht angenommen habe, der Betreibungsort am Ort des Arrestes nach Art. 52 SchKG sei hier nicht anwendbar, da kein Arrest zu Lebzeiten erfolgt war. Somit fällt auch das Argument des fehlenden Rechtsschutzinteresses dahin.

Die Beschwerde wurde vom Bundesgericht gutgeheissen und die Sache wurde teilweise an die Erstinstanz zur neuen Beurteilung zurückgewiesen.

Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung eines Arbeitsverhältnisses

Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 4A_157/2022 vom 5. August 2022 mit einer Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung eines Arbeitsverhältnisses auseinandergesetzt.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Arbeitnehmerin war seit dem Jahr 1985 mit Unterbrüchen bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Der Arbeitnehmerin wurde am 17. Februar 2015 bis zum 30. Juni 2015 eine Nebenbeschäftigung bewilligt. Diese Bewilligung wurde nicht verlängert. Trotzdem ging die Arbeitnehmerin dieser Nebenbeschäftigung weiterhin nach. Die Arbeitgeberin teilte der Arbeitnehmerin im Jahr 2017 mit, dass eine interne Untersuchung zu ihrer Nebenbeschäftigung eröffnet worden sei. In der Folge kündigte die Arbeitnehmerin ihre Nebenbeschäftigung, unterrichtete die Arbeitgeberin darüber und äusserte ihre Hoffnung, dass die Angelegenheit damit erledigt sei. Dieser Hoffnung widersprechend kündigte die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin ordentlich. Mit Klage beantragte die Arbeitnehmerin, die Arbeitgeberin sei zu verpflichten, ihr wegen missbräuchlicher Kündigung eine Entschädigung zu bezahlen. Die Arbeitnehmerin unterlag mit ihren Begehren sowohl vor der ersten als auch vor der zweiten Instanz. Nun gelangte sie mit Beschwerde an das Bundesgericht.

Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis kann von jeder Vertragspartei unter Einhaltung der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist gekündigt werden (Art. 335 Abs. 1 OR). Damit gilt das Prinzip der Kündigungsfreiheit. Ihre Grenzen findet die Kündigungsfreiheit im Missbrauchsverbot. Missbräuchlich ist eine Kündigung nur, wenn sie aus bestimmten, in Art. 336 OR umschriebenen unzulässigen Gründen ausgesprochen wird, wobei die Aufzählung gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht abschliessend ist. Der Vorwurf der Missbräuchlichkeit setzt indessen voraus, dass die geltend gemachten Gründe eine Schwere aufweisen, die vergleichbar ist mit der Schwere der in Art. 336 OR ausdrücklich aufgezählten Gründe.

Die Arbeitnehmerin machte insbesondere geltend, die Arbeitgeberin habe nach Ablauf der Bewilligung der Nebenbeschäftigung gewusst, dass die Arbeitnehmerin der Nebenbeschäftigung weiterhin nachging. Dadurch habe die Arbeitgeberin konkludent in die Nebenbeschäftigung eingewilligt. Das Motiv der Kündigung sei somit missbräuchlich. Diesen Einwand verwarf sowohl die Vorinstanz als auch das Bundesgericht mit folgender Begründung: Die Arbeitgeberin hatte die Arbeitnehmerin bereits nach Ablauf der Bewilligung der Nebenbeschäftigung aufgefordert, die Nebenbeschäftigung aufzugeben. Die Nebenbeschäftigung sei der Arbeitnehmerin damit ausdrücklich untersagt worden.

Im Ergebnis erachtete das Bundesgericht die Kündigung nicht als missbräuchlich und wies die Beschwerde ab.

Im Übrigen setzte sich das Bundesgericht mit Urteil 2C_546/2021 vom 31. Oktober 2022 mit den steuerrechtlichen Folgen einer Entschädigung aus missbräuchlicher Kündigung eines Arbeitsverhältnisses auseinander und publizierte hierzu am 29. November 2022 eine Medienmitteilung. Im Ergebnis seien solche gerichtlich zugesprochenen Entschädigungen nicht als Einkommen zu besteuern. Vielmehr überwiegt laut Bundesgericht der Charakter der Genugtuungszahlung, weshalb solche Entschädigungen zu den steuerfreien Einkünften zählen.

Die Pflicht zur Schlichtungsverhandlung – Gültigkeit der Klagebewilligung

Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 5A_87/2022 vom 2. November 2022 (zur Publikation vorgesehen) mit der Gültigkeit einer Klagebewilligung auseinandergesetzt.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 2020 stellten fünf Kläger ein Schlichtungsgesuch, in welchem sie zwölf Parteien als Beklagte bezeichneten. Sie begehrten insbesondere die Feststellung, dass die am 18. August 2015 von einem verstorbenen Erblasser errichtete letztwillige Verfügung nichtig, evtl. ungültig sei. Im Vorfeld der Schlichtungsverhandlung verzichteten die Kläger gegenüber einem Beklagten auf das Schlichtungsverfahren. Eine weitere Beklagte teilte mit, nicht zur Schlichtungsverhandlung zu erscheinen. Die Schlichtungsbehörde hielt fest, dass die Schlichtungsverhandlung gescheitert sei, da die beklagten Parteien nicht vollständig anwesend waren, und stellte die Klagebewilligung aus. Im Nachgang an die Schlichtungsverhandlung monierte ein Beklagter in mehrfacher Hinsicht die Ordnungsmässigkeit der Schlichtungsverhandlung, weshalb die Klagebewilligung nicht hätte ausgestellt werden dürfen. In der Folge wurde die Klagebewilligung zwei Male berichtigt. Die Kläger gelangten gestützt auf die berichtigte Klagebewilligung mit Klage an die erste Instanz, welche die Gültigkeit der Klagebewilligung bestätigte. Die zweite Instanz hiess die Berufung, welche durch drei der Beklagten erhoben wurde, gut und verneinte die Gültigkeit der Klagebewilligung. Zwei der Kläger gelangen nun mit Beschwerde an das Bundesgericht und beanstanden die vorinstanzlichen Feststellungen zur Gültigkeit der Klagebewilligung.

Die beiden Kläger erachten die Art. 201, 204 und 209 ZPO als verletzt, weil eine gültige Klagebewilligung vorliege.

Gemäss Art. 201 Abs. 1 ZPO besteht die Aufgabe der Schlichtungsbehörde darin, in formloser Verhandlung zu versuchen, die Parteien zu versöhnen. Die Parteien müssen persönlich zur Schlichtungsverhandlung erscheinen (Art. 204 Abs. 1 ZPO) und können sich von einer Rechtsvertretung oder einer Vertrauensperson begleiten lassen (Art. 204 Abs. 2 ZPO). Hintergrund dieser Spezialregel für das Schlichtungsverfahren war laut der Botschaft des Bundesrates zur ZPO die Überlegung, dass eine Schlichtungsverhandlung meist dann am aussichtsreichsten ist, wenn die Parteien persönlich erscheinen, da nur so eine wirkliche Aussprache stattfinden kann. Auch wenn sich die Parteien begleiten lassen dürfen, sollen sie sich an der Verhandlung doch primär selbst äussern. Durch die Pflicht zum persönlichen Erscheinen soll laut bundesgerichtlicher Rechtsprechung ein persönliches Gespräch zwischen den Parteien vor der allfälligen Klageeinreichung ermöglicht werden. Art. 204 Abs. 1 ZPO ziele in diesem Sinne – wie das Schlichtungsverfahren überhaupt – darauf ab, diejenigen Personen zu einer Aussprache zusammenzubringen, die sich miteinander im Streit befinden und die über den Streitgegenstand auch selber verfügen können. Von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen ausgenommen sind Parteien, die ausserkantonalen oder ausländischen Wohnsitz haben oder wegen Krankheit, Alter oder anderweitigen Gründen verhindert sind, wobei sie sich vertreten lassen müssen (Art. 204 Abs. 3 Bst. a und b ZPO). Kommt es zu keiner Einigung, hält die Schlichtungsbehörde dies im Protokoll fest und erteilt die Klagebewilligung (Art. 209 Abs. 1 ZPO). Bleibt die beklagte Partei säumig, erteilt die Schlichtungsbehörde die Klagebewilligung (Art. 206 Abs. 2 ZPO).

Unbestritten war vorliegend, dass die Klagebewilligung nicht allein deswegen ausgestellt werden durfte, weil einer der Beklagten nicht persönlich anwesend war. Auch die Erkenntnis der Vorinstanz, wonach eine Klagebewilligung unter einem schweren Mangel leidet und nicht gültig ist, wenn kein effektiver Schlichtungsversuch unternommen wurde, wurde nicht direkt bestritten. Angesichts des Streitwerts hätten die Parteien gestützt auf Art. 199 Abs. 1 ZPO zwar auf die Durchführung des Schlichtungsverfahrens verzichten können. Mangels eines solchen Verzichts gibt es laut Bundesgericht entgegen den Ausführungen der Kläger indes keinen Grund, die qualitativen Anforderungen an die Schlichtungsverhandlung in irgendwelcher Weise zu reduzieren.

Sodann war das Verhalten der Beklagten laut Bundesgericht nicht rechtsmissbräuchlich. Ab dem Zeitpunkt, in dem das Gericht seinen Entscheid gefällt hat, ist es gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht mehr mit der Sache befasst und kann seinen Entscheid – unter Vorbehalt einer Berichtigung – nicht mehr abändern. Die Klagebewilligung konnte somit im Nachgang an die Schlichtungsverhandlung nicht mehr geändert werden, weshalb den Beklagten nicht vorgeworfen werden kann, zu keinem Zeitpunkt eine Wiederholung der Schlichtungsverhandlung verlangt zu haben.

Im Ergebnis wies das Bundesgericht die Beschwerde ab.