Die Pflicht zur Schlichtungsverhandlung – Gültigkeit der Klagebewilligung

Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 5A_87/2022 vom 2. November 2022 (zur Publikation vorgesehen) mit der Gültigkeit einer Klagebewilligung auseinandergesetzt.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 2020 stellten fünf Kläger ein Schlichtungsgesuch, in welchem sie zwölf Parteien als Beklagte bezeichneten. Sie begehrten insbesondere die Feststellung, dass die am 18. August 2015 von einem verstorbenen Erblasser errichtete letztwillige Verfügung nichtig, evtl. ungültig sei. Im Vorfeld der Schlichtungsverhandlung verzichteten die Kläger gegenüber einem Beklagten auf das Schlichtungsverfahren. Eine weitere Beklagte teilte mit, nicht zur Schlichtungsverhandlung zu erscheinen. Die Schlichtungsbehörde hielt fest, dass die Schlichtungsverhandlung gescheitert sei, da die beklagten Parteien nicht vollständig anwesend waren, und stellte die Klagebewilligung aus. Im Nachgang an die Schlichtungsverhandlung monierte ein Beklagter in mehrfacher Hinsicht die Ordnungsmässigkeit der Schlichtungsverhandlung, weshalb die Klagebewilligung nicht hätte ausgestellt werden dürfen. In der Folge wurde die Klagebewilligung zwei Male berichtigt. Die Kläger gelangten gestützt auf die berichtigte Klagebewilligung mit Klage an die erste Instanz, welche die Gültigkeit der Klagebewilligung bestätigte. Die zweite Instanz hiess die Berufung, welche durch drei der Beklagten erhoben wurde, gut und verneinte die Gültigkeit der Klagebewilligung. Zwei der Kläger gelangen nun mit Beschwerde an das Bundesgericht und beanstanden die vorinstanzlichen Feststellungen zur Gültigkeit der Klagebewilligung.

Die beiden Kläger erachten die Art. 201, 204 und 209 ZPO als verletzt, weil eine gültige Klagebewilligung vorliege.

Gemäss Art. 201 Abs. 1 ZPO besteht die Aufgabe der Schlichtungsbehörde darin, in formloser Verhandlung zu versuchen, die Parteien zu versöhnen. Die Parteien müssen persönlich zur Schlichtungsverhandlung erscheinen (Art. 204 Abs. 1 ZPO) und können sich von einer Rechtsvertretung oder einer Vertrauensperson begleiten lassen (Art. 204 Abs. 2 ZPO). Hintergrund dieser Spezialregel für das Schlichtungsverfahren war laut der Botschaft des Bundesrates zur ZPO die Überlegung, dass eine Schlichtungsverhandlung meist dann am aussichtsreichsten ist, wenn die Parteien persönlich erscheinen, da nur so eine wirkliche Aussprache stattfinden kann. Auch wenn sich die Parteien begleiten lassen dürfen, sollen sie sich an der Verhandlung doch primär selbst äussern. Durch die Pflicht zum persönlichen Erscheinen soll laut bundesgerichtlicher Rechtsprechung ein persönliches Gespräch zwischen den Parteien vor der allfälligen Klageeinreichung ermöglicht werden. Art. 204 Abs. 1 ZPO ziele in diesem Sinne – wie das Schlichtungsverfahren überhaupt – darauf ab, diejenigen Personen zu einer Aussprache zusammenzubringen, die sich miteinander im Streit befinden und die über den Streitgegenstand auch selber verfügen können. Von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen ausgenommen sind Parteien, die ausserkantonalen oder ausländischen Wohnsitz haben oder wegen Krankheit, Alter oder anderweitigen Gründen verhindert sind, wobei sie sich vertreten lassen müssen (Art. 204 Abs. 3 Bst. a und b ZPO). Kommt es zu keiner Einigung, hält die Schlichtungsbehörde dies im Protokoll fest und erteilt die Klagebewilligung (Art. 209 Abs. 1 ZPO). Bleibt die beklagte Partei säumig, erteilt die Schlichtungsbehörde die Klagebewilligung (Art. 206 Abs. 2 ZPO).

Unbestritten war vorliegend, dass die Klagebewilligung nicht allein deswegen ausgestellt werden durfte, weil einer der Beklagten nicht persönlich anwesend war. Auch die Erkenntnis der Vorinstanz, wonach eine Klagebewilligung unter einem schweren Mangel leidet und nicht gültig ist, wenn kein effektiver Schlichtungsversuch unternommen wurde, wurde nicht direkt bestritten. Angesichts des Streitwerts hätten die Parteien gestützt auf Art. 199 Abs. 1 ZPO zwar auf die Durchführung des Schlichtungsverfahrens verzichten können. Mangels eines solchen Verzichts gibt es laut Bundesgericht entgegen den Ausführungen der Kläger indes keinen Grund, die qualitativen Anforderungen an die Schlichtungsverhandlung in irgendwelcher Weise zu reduzieren.

Sodann war das Verhalten der Beklagten laut Bundesgericht nicht rechtsmissbräuchlich. Ab dem Zeitpunkt, in dem das Gericht seinen Entscheid gefällt hat, ist es gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht mehr mit der Sache befasst und kann seinen Entscheid – unter Vorbehalt einer Berichtigung – nicht mehr abändern. Die Klagebewilligung konnte somit im Nachgang an die Schlichtungsverhandlung nicht mehr geändert werden, weshalb den Beklagten nicht vorgeworfen werden kann, zu keinem Zeitpunkt eine Wiederholung der Schlichtungsverhandlung verlangt zu haben.

Im Ergebnis wies das Bundesgericht die Beschwerde ab.