Aus dem Bundesgericht: Irrtum betreffend Überbaubarkeit eines Grundstücks

Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 4A_406/2023 vom 5. März 2024 mit der Frage eines Grundlagenirrtums betreffend die Überbaubarkeit eines Grundstücks auseinander gesetzt. Der Streitigkeit lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Mit öffentlich beurkundetem Kaufvertrag vom 5. Juni 2019 verkaufte B der A AG eine Liegenschaft, welche sich teilweise in der “Dorfzone D” und teilweise in der Landwirtschaftszone befand. Am 13. Dezember 2019 reichte die A AG ein Baugesuch für ein Neubauprojekt auf der Parzelle ein. Am 15. Mai 2020 trat im Kanton Thurgau die Kleinsiedlungsverordnung (KSV) in Kraft. Der bislang in der “Dorfzone “” liegende Teil der Parzelle wurde im Anhang 2 der KSV einer Weiler- oder Erhaltungszone gemäss Art. 33 RPV zugwiesen. Die Baubewilligung wurde verweigert resp. nicht erteilt. Das entsprechende Rekursverfahren war im Urteilszeitpunkt hängig.

Die A AG machte sodann gegenüber B einen Grundalgenirrtum über die Überbaubarkeit des Grundstücks geltend.

Ein Vertrag ist für denjenigen unverbindlich, der sich beim Abschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat (Art. 23 OR). Ein Irrtum ist namentlich dann wesentlich, wenn er einen bestimmten Sachverhalt betrifft, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrags betrachtet wird (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR). Neben der subjektiven Wesentlichkeit ist erforderlich, dass dieser Sachverhalt auch objektiv, vom Standpunkt oder nach den Anforderungen des loyalen Geschäftsverkehrs als notwendige Grundlage des Vertrags erscheint (BGE 136 III 528 E. 3.4.1).

Das Bundesgericht bestätigt die Schlussfolgerung der Vorinstanz, wonach der Parzellenteil zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages in der Dorfzone gelegen habe. Ein wesentlicher Grundlagenirrtum könne somit nur über einen künftigen Sachverhalt vorliegen, nämlich über die künftig weiterhin bestehende Überbaubarkeit des betreffenden Parzellenteils.

Der Irrtum gemäss Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR kann sich auf eine künftige Tatsache beziehen, wenn diese Tatsache im Zeitpunkt des Vertragsschlusses objektiv als sicher angesehen werden konnte (BGE 118 II 297, E. 2b). Vorausgesetzt wird zum, dass die Gegenpartei nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr hätte erkennen müssen, dass die Sicherheit des Eintritts des zukünftigen Ereignisses für die andere Partei Vertragsvoraussetzung war (BGE 118 II 297, E. 2b).

Die Vorinstanz erwog, der betreffende Parzellenteil sei im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (Juni 2019) noch überbaubar gewesen und hätte bei Erhalt einer Baubewilligung bis längstens Mai 2020 noch überbaut werden können. Die Käuferin habe jedoch nicht mit Sicherheit annehmen dürfen, sie würde noch auf Monate oder Jahre hinaus eine Baubewilligung erhalten. Dem Kauf habe ein spekulatives Moment betreffend die Überbaubarkeit innegewohnt.

Das Bundesgericht bestätigt das vorinstanzliche Urteil und weist die Beschwerde der A AG ab, soweit es darauf eintritt.

Für die Praxis bedeutet diese Rechtsprechung, dass bei Grundstückkaufgeschäften mit geplanten Neubauprojekten zwingend frühzeitig – vor Abschluss des Kaufvertrages – die Realisierbarkeit (insb. Bewilligungsfähigkeit) des Projekts zu klären ist.

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