Entlassung der Beistandsperson aufgrund eines Interessenkonflikts

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Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 5A_839/2021 vom 3. August 2022 mit einem Beistandswechsel auseinandergesetzt.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 2015 errichtete die KESB der Stadt Zürich eine Vertretungsbeistandschaft mit Vermögensverwaltung nach Art. 394 i.V.m. Art. 395 ZGB für die Verbeiständete und ernannte eine Privatperson zur Beiständin. Im Jahr 2017 beantragte die Schwester der Verbeiständeten insbesondere, dass die Beiständin unverzüglich aus ihrem Amt zu entlassen sei. Die Beschwerde der Schwester der Verbeiständeten wurde von beiden Vorinstanzen gutgeheissen. Die Beiständin gelangte nun mit Beschwerde ans Bundesgericht.

Die KESB entlässt die Beistandsperson gemäss Art. 423 Abs. 1 ZGB, wenn die Eignung für die Aufgabe nicht mehr besteht (Ziff. 1) oder ein anderer wichtiger Grund vorliegt (Ziff. 2). Art. 423 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB setzt laut bundesgerichtlicher Rechtsprechung kein Fehlverhalten der Beiständin voraus, sondern lediglich eine abstrakte Gefährdung der Interessen der betroffenen Person. Für die Entlassung aus wichtigem Grund sei eine Gefährdung der Interessen bzw. des Wohls der betroffenen Person zu verlangen. Der wichtige Grund setze ein der Beiständin zuzuschreibendes Handeln oder Unterlassen voraus, das in schwerwiegender Weise eine Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der erwachsenenschutzrechtlichen Tätigkeit darstelle. Dazu zählten Ursachen wie etwa Amtsmissbrauch oder Rollenkonflikte.

Art. 416 ZGB verlangt für bestimmte Geschäfte, die eine Beistandsperson in Vertretung der betroffenen Person vornimmt, die Zustimmung der KESB. Das Zustimmungserfordernis ist nicht absolut. Die Zustimmung der KESB ist laut bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht erforderlich, wenn die verbeiständete Person ihr Einverständnis zu diesen Handlungen gegeben hat, diesbezüglich urteilsfähig ist und mit der Errichtung der Beistandschaft die KESB ihr die entsprechende Handlungsfähigkeit nicht entzogen hat (vgl. Art. 416 Abs. 2 ZGB). Immer der Zustimmung der KESB bedürfen Verträge zwischen der Beiständin und der betroffenen Person, ausser diese erteilt einen unentgeltlichen Auftrag (Art. 416 Abs. 3 ZGB).

Vorliegend bestand laut den Vorinstanzen und der Schwester der Verbeiständeten insbesondere ein Interessenkonflikt. So war die Beiständin bis vor kurzem Stiftungsrätin einer von der Verbeiständeten als Stifterin gegründeten Stiftung, wobei der Sohn der Beiständin immer noch Mitglied des Stiftungsrates ist. Die Beiständin hatte unbestrittenermassen sehr grosse Geldbeträge aus dem Vermögen der Verbeiständeten an diese Stiftung überwiesen. Ebenfalls unbestritten war die Unfähigkeit der Verbeiständeten, Bedeutung und Tragweite von Auftragsgeschäften im Sinne von Art. 394 OR erkennen zu können. Laut Bundesgericht bestand deswegen ein offenkundiger Interessenkonflikt. Der Einwand der Beiständin, die KESB habe die Transaktionen im Zuge der vorbehaltslosen Genehmigung der von ihr erstellten Rechenschaftsberichte genehmigt, ändere daran nichts: So entfallen bei Interessenkonflikten von Gesetzes wegen die Befugnisse der Beiständin in der entsprechenden Angelegenheit (Art. 403 Abs. 2 ZGB). Eine allfällige Zustimmung der KESB vermag die fehlende Vertretungsmacht der Beiständin beim Abschluss des Rechtsgeschäfts laut bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht zu heilen.

Im Ergebnis bestätigt das Bundesgericht die Entlassung der Beiständin aufgrund des bestehenden Interessenkonflikts und weist die Beschwerde der Beiständin ab.

Die Voraussetzungen für eine Kindes- oder Erwachsenenschutzmassnahme, die Rechte und Pflichten der Mandatsführenden sowie die Zuständigkeiten und das Verfahren sind gesetzlich geregelt. Bei Fragen unterstützen wir Sie gerne.

Leihmutterschaft – Eintragung ins Personenstandsregister

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Das Bundesgericht hat sich mit Medienmitteilung vom 19. August 2022 zu seinem Urteil 5A_32/2021 vom 1. Juli 2022 mit der Eintragung von Wunscheltern ins schweizerische Personenstandsregister bei Leihmutterschaft auseinandergesetzt.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein in der Schweiz wohnhaftes Ehepaar hatte in Georgien einen Leihmutterschaftsvertrag mit der Leihmutter und einer Eizellenspenderin abgeschlossen. Die Samenspende stammte vom Ehemann. In der Geburtsurkunde wurden nach georgischem Recht die Wunscheltern automatisch als Vater und Mutter des Kindes eingetragen. Die Wunscheltern beantragten kurz nach der Geburt des Kindes im Jahr 2019 in der Schweiz die Eintragung der Wunscheltern als Eltern gestützt auf die in Georgien ausgestellte Geburtsurkunde.

Entgegen den Angaben gemäss Geburtsurkunde trug das Zivilstandesamt die Leihmutter als einzigen Elternteil ein, mit georgischer Staatsangehörigkeit des Kindes. Gegen die Eintragungsverfügung erhoben die Wunscheltern erfolgreich Beschwerde. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), handelnd durch das Bundesamt für Justiz (BJ), gelangte in der Folge mit Beschwerde ans Bundesgericht.

Da es sich vorliegend nicht um eine ausländische Entscheidung, sondern um eine ausländische Geburtsurkunde handelt, stellt sich im Rahmen der Anerkennung die Frage nach deren Vereinbarkeit mit dem schweizerischen «Ordre public» nicht. Vielmehr stellt sich laut Bundesgericht die Frage nach dem in der Sache massgebenden Recht.

Gemäss Art. 68 Abs. 1 IPRG unterstehen die Entstehung des Kindesverhältnisses sowie dessen Feststellung oder Anfechtung dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes. Laut bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist als gewöhnlicher Aufenthaltsort des Kindes der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen zu verstehen. Meistens falle der gewöhnliche Aufenthalt eines Kindes im massgeblichen Zeitpunkt mit dem Lebensmittelpunkt zumindest eines Elternteils zusammen. Bei Neugeborenen seien naturgemäss die familiären Bindungen zum betreuenden Elternteil als Indiz des gewöhnlichen Aufenthalts entscheidend; die Bindungen der Mutter an ein Land erfassten regelmässig auch das Kind. Für die Bestimmung des anwendbaren Rechts ist der Zeitpunkt der Geburt massgebend (Art. 69 Abs. 1 IPRG). Zweck der einzigen Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt sei die Anknüpfung an jene Rechts- und Sozialsphäre, in der das Kind und die Eltern tatsächlich leben würden, was auch für das Leihmutterschaftskind und die betreuenden Wunscheltern gelte.

Vorliegend ging das Bundesgericht davon aus, dass der Aufenthalt der Wunscheltern in Georgien lediglich vorübergehender Natur war und nicht ausschlaggebend sei. Vielmehr befinde sich der gewöhnliche Aufenthaltsort vorliegend in der Schweiz. So hatten die Wunscheltern bereits im Zeitpunkt der Geburt geplant, mit dem Kind in die Schweiz zurückzukehren. Demzufolge ist laut Bundesgericht Schweizer Recht anwendbar.

Gemäss Art. 252 Abs. 1 ZGB gilt als rechtliche Mutter des Kindes die gebärende Frau und somit die Leihmutter. In Bezug auf den (Wunsch-)Vater und auch biologischen Vater des Kindes ist fraglich, ob die Anerkennung im Rahmen des Reproduktions- und Leihmutterschaftsvertrags als Vaterschaftsanerkennung nach Schweizer Recht gewertet werden kann. Gemäss Art. 260 Abs. 1 ZGB kann der Vater das Kind anerkennen, wenn das Kindesverhältnis nur zur Mutter besteht. Nach den Regeln des ZGB kann diese Anerkennung jederzeit zu Lebzeiten des Kindes erfolgen, aber auch vor der Geburt, jedoch nicht vor der Zeugung. Da der Vertrag vorliegend vor der Zeugung abgeschlossen wurde, ist die Vaterschaftsanerkennung gemäss Reproduktions- und Leihmutterschaftsvertrag laut Bundesgericht ungültig. Der (Wunsch-)Vater hat die Vaterschaftsanerkennung gestützt auf Art. 260 ZGB zur beantragen und kann sich hierfür auch nicht auf die georgische Geburtsurkunde stützen. Ob eine Vaterschaftsanerkennung im Rahmen eines im Ausland zwecks Umgehung des hiesigen Leihmutterschaftsverbots abgeschlossenen Reproduktions- und Leihmutterschaftsvertrags gültig ist, liess das Bundesgericht offen.

In der Folge könne die Wunschmutter das Kind gestützt auf Art. 264c ZGB adoptieren. So darf eine Person das Kind adoptieren, mit dessen Vater sie verheiratet ist und das Paar seit mindestens drei Jahren einen gemeinsamen Haushalt führt (Art. 264c Abs. 1 Ziff. 1 und Abs. 2 ZGB). Vorliegend bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Stiefkindadoption nicht durchführbar wäre.

Im Ergebnis könne die Geburt des Kindes in das schweizerische Personenstandsregister eingetragen werden, bevor die Kindesverhältnisse zu den Wunscheltern hergestellt seien. Im weiteren genügt die Kindesanerkennung durch den (Wunsch-)Vater, damit das Kind die schweizerische Staatsbürgerschaft erhält. Aus Schweizer Recht ergibt sich weiter, dass das Kind vorerst mit dem Namen der Leihmutter einzutragen ist.

Das Bundesgericht hiess die Beschwerde des BJ somit gut.

Das Bundesgericht hat sich erst kürzlich mit Urteil 5A_545/2020 vom 7. Februar 2022 mit einem Leihmutterschaftsfall befasst (vgl. dazu (https://www.bm-recht.ch/recht-aktuell/2022/04/01/leihmutterschaft-eintragung-im-personenstandsregister/). Die Leihmutterschaft ist in der Schweiz verboten (Art. 119 Abs. 2 BV). In der Praxis stellt sich regelmässig die Frage, wie mit Personen mit Wohnsitz in der Schweiz umgegangen werden soll, wenn sie im Ausland eine Leihmutter in Anspruch genommen haben. Der Bundesrat hat sich mit Postulatsbericht vom 29. November 2013 zur Situation geäussert. In seinem Bericht zum Reformbedarf im Abstammungsrecht vom 17. Dezember 2021 kommt der Bundesrat zum Schluss, dass das Schweizer Abstammungsrecht nicht mehr “in jeder Hinsicht die gesellschaftliche Realität abdeckt”.

Verkehrsregelverletzung: Verhältnis Strafbefehl – Administrativverfahren

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Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 1C_122/2022 vom 11. Juli 2022 mit den möglichen Folgen eines rechtskräftigen Strafbefehls auseinandergesetzt.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 2019 wurde ein Fahrzeuglenker mit einem Strafbefehl wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln schuldig gesprochen. Der Lenker hatte, als eine Polizistin die Strasse via Fussgängerstreifen überqueren wollte, sein Auto erst mitten auf dem Fussgängerstreifen und nur eine Armlänge von der Polizistin entfernt zum Stillstand gebracht. Hätte er die gebotene Aufmerksamkeit und elementare Vorsicht eingehalten, so hätte er die Polizistin, die sogar eine Leuchtweste trug, frühzeitig sehen und anhalten können und müssen. Der Lenker erhob in der Folge Einsprache gegen den Strafbefehl, zog diese Einsprache indes wieder zurück, wodurch der Strafbefehl in Rechtskraft erwuchs.

Daraufhin nahm das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern (SVSA) das Administrativverfahren wieder auf und entzog dem Fahrzeugführer den Führerausweis für Motorfahrzeuge wegen einer schweren Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften für die Dauer von drei Monaten. Gegen diese Verfügung erhob der Fahrzeugführer Beschwerde, welche die erste Instanz abwies. Der Lenker gelangte nun mit Beschwerde ans Bundesgericht.

Im Einklang mit der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die Administrativbehörde auch an einen nur auf Polizeiberichten beruhenden Sachverhalt eines Strafbefehls gebunden, wenn der Betroffene wusste oder voraussehen musste, dass neben dem Strafverfahren ein Administrativverfahren eröffnet wird. In diesem Fall müsse der Betroffene nach dem Grundsatz von Treu und Glauben allfällige Verteidigungsrechte und Beweisanträge bereits im Strafverfahren vorbringen und dort die nötigen Rechtsmittel ergreifen. Im vorliegenden Fall hatte die SVSA den Fahrzeugführer noch vor dessen Rückzug der Einsprache ausdrücklich darauf hingewiesen, dass aufgrund des Vorfalls ein Administrativverfahren eröffnet werde, das einen Führerausweisentzug zur Folge haben könne. Zudem wurde der Fahrzeugführer darauf aufmerksam gemacht, dass allfällige Einwände oder Entlastungsargumente gegen den zur Last gelegten Sachverhalt unbedingt bereits im Strafverfahren vorzubringen seien.

Das Bundesgericht erachtete auch die Dauer des angeordneten Führerausweisentzugs für bundesrechtskonform. So handle es sich bei den Pflichten gemäss Art. 33 Abs. 2 SVG (Pflichten gegenüber Fussgängern) und Art. 6 Abs. 1 VRV (Verhalten gegenüber Fussgängern) um grundlegende Verkehrsregeln. Gemäss Art. 16c Abs. 2 Bst. a SVG wird der Führerausweis nach einer schweren Widerhandlung für mindestens drei Monate entzogen. Eine schwere Widerhandlung begeht insbesondere, wer durch grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt. Eine grobe Verkehrsregelverletzung entspricht gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung einer schweren Widerhandlung im Sinne von Art. 16c SVG. Mit den Vorbringen des Fahrzeugführers, wonach er relativ weit weg von einer Haltestelle des öffentlichen Verkehrs wohne und sich sein Golfklub rund 40km von seinem Wohnort entfernt befinde, verkennt der Fahrzeugführer laut Bundesgericht, dass es sich bei der dreimonatigen Entzugsdauer um eine Mindestentzugsdauer handelt. Im Übrigen habe der Fahrzeugführer seine diesbezüglichen Ausführungen nicht näher belegt.

Im Ergebnis wies das Bundesgericht die Beschwerde vollständig ab.

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Begleitetes Besuchsrecht

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Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 5A_967/2021 vom 24. Juni 2022 mit einer familienrechtlichen Streitigkeit auseinandergesetzt.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Bei den Parteien handelt es sich um die geschiedenen Eltern ihres im Jahr 2015 geborenen Sohnes. Im Rahmen des Eheschutzverfahrens im Jahr 2017 wurde für den Sohn eine Beistandschaft errichtet, dieser in die alleinige Obhut der Mutter gestellt und das unbegleitete Besuchsrecht zwischen Vater und Sohn geregelt. Im Jahr 2019 erfolgte die Scheidung, wobei die Parteien eine gerichtlich genehmigte Vereinbarung unterzeichneten. Hierbei einigten sich die Parteien insbesondere auf unbegleitete Besuche des Vaters. Im Jahr 2020 reichte die Mutter bei der ersten Instanz ein Gesuch um Abänderung ein. Sie verlangte insbesondere, dass dem Vater superprovisorisch bis auf weiteres ein begleitetes Besuchsrecht zu gewähren sei. Dieses Gesuch wurde durch die erste Instanz teilweise gutgeheissen und für die Dauer von zumindest 6 Monaten ein begleitetes Besuchsrecht gewährt, wobei die Beiständin im Weiteren entscheiden solle, ob die begleiteten Besuche durch begleitete Übergaben ersetzt werden können oder ob die Massnahme zu verlängern sei.

Die gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde des Vaters wurde durch die zweite Instanz gutgeheissen und die ursprüngliche unbegleitete Besuchsrechtsregelung ergänzt durch die Anordnung begleiteter Übergaben wieder in Kraft gesetzt. Gegen diesen Entscheid der zweiten Instanz erhob die Mutter Beschwerde ans Bundesgericht und verlangte wiederum die Festlegung eines begleiteten Besuchsrechts.

Im Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht wegen vorsorglicher Massnahmen im Sinne von Art. 276 ZPO kann nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden. Die Mutter macht insbesondere eine Verletzung des Willkürverbots geltend. So habe die Vorinstanz in willkürlicher Verletzung der Untersuchungsmaxime die für die Beurteilung der Kindeswohlgefährdung wesentlichen Abklärungen nicht vorgenommen, obschon sich dies unter anderem aufgrund des Verhaltens des Vaters, der Eingaben und Anträge der Beiständin und des Gutachtens über die Erziehungsfähigkeit des Vaters aufgedrängt habe. Gerade letzteres attestierte dem Vater eine unreife Persönlichkeitsstruktur, impulsiv-agierendes und unreflektiertes Verhalten, welches seine Fähigkeit ein stabiles, Sicherheit spendendes und spiegelndes Gegenüber für den Sohn zu sein, beeinträchtige. Im Ergebnis bestehe laut der Mutter eine erhebliche Kindeswohlgefährdung aufgrund der Einschränkung der Erziehungsfähigkeit des Vaters, weshalb die ursprüngliche Besuchsrechtsregelung nicht wieder in Kraft gesetzt werden könne.

Gemäss Art. 273 Abs. 1 ZGB haben der nicht obhutsberechtigte Elternteil und das minderjährige Kind gegenseitig Anspruch auf angemessenen persönlichen Verkehr. Wird das Wohl des Kindes durch den persönlichen Verkehr gefährdet, üben die Eltern ihn pflichtwidrig aus, haben sie sich nicht ernsthaft um das Kind gekümmert oder liegen andere wichtige Gründe vor, so kann ihnen das Recht auf persönlichen Verkehr verweigert oder entzogen werden (Art. 274 Abs. 2 ZGB). Eine Gefährdung des Kindeswohls liegt laut Bundesgericht vor, wenn das Zusammensein mit dem nicht obhutsberechtigten Elternteil die ungestörte körperliche, seelische oder sittliche Entfaltung des Kindes bedroht. Bei der Beschränkung des persönlichen Verkehrs ist stets das Gebot der Verhältnismässigkeit zu beachten (Art. 389 Abs. 2 i.V.m. Art. 314 Abs. 1 und Art. 274 Abs. 2 ZGB). Eine Möglichkeit, das Besuchsrecht besonders auszugestalten, besteht laut Bundesgericht in der Anordnung, die Besuche in Anwesenheit einer Drittperson durchzuführen, wenn die befürchteten nachteiligen Auswirkungen der Kontakte für das Kind durch die Anwesenheit einer Drittperson in Grenzen gehalten werden können. Ein begleitetes Besuchsrecht dürfe indes nur angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Gefährdung des Kindeswohls bestehen.

Das Bundesgericht gelangt zum Schluss, dass vorliegend keine konkreten Anhaltspunkte für die Gefährdung des Kindeswohls bestehen, wenn die ursprüngliche Besuchsrechtsregelung wieder in Kraft gesetzt wird. Aus den Einwendungen der Mutter ergebe sich keine konkreten Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindeswohls; sie belasse es bei blossen Vermutungen. Gerade in Bezug auf die durch die Mutter genannte Stelle im Erziehungsfähigkeitsgutachten gelinge es ihr nicht, Willkür darzutun. So ziehe sie daraus prognostisch Schlüsse, welche gegen ein unbegleitetes Besuchsrecht sprechen und übersehe dabei, dass das fragliche Gutachten bereits als Grundlage für die ursprüngliche Besuchsrechtsregelung diente.

Im Ergebnis wies das Bundesgericht die Beschwerde vollständig ab.

Kündigung infolge Arbeitsverweigerung

Working person (paper work)

Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 4A_138/2022 vom 21. Juni 2022 mit einer arbeitsrechtlichen Streitigkeit auseinandergesetzt.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Arbeitnehmer wurde im November 2018 unter Androhung der fristlosen Entlassung verwarnt, weil dieser die Verrichtung einer zu seinem Pflichtenheft gehörenden Arbeit verweigert hatte. Im Dezember 2018 wurde das Arbeitsverhältnis per Ende Februar 2019 ordentlich gekündigt. Da sich der Arbeitnehmer in der Folge weigerte, seinen Arbeitseinsatz zu leisten, sprach die Arbeitgeberin am 7. Januar 2019 die fristlose Kündigung aus.

Der Arbeitnehmer reichte daraufhin Klage ein und führte aus, (s)eine Allergie habe die Verrichtung der Arbeit verunmöglicht. Die fristlose Kündigung sei als ungerechtfertigt zu qualifizieren und die Arbeitgeberin sei zu verurteilen, ihm den Lohn bis Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist inkl. Sozialversicherungsleistungen zu bezahlen.

Der Arbeitnehmer unterlag sowohl vor erster als auch vor zweiter Instanz und gelangte nun mit Beschwerde ans Bundesgericht.

Der Arbeitnehmer macht geltend, es habe kein wichtiger Grund im Sinne von Art. 337 OR vorgelegen, welcher die fristlose Kündigung gerechtfertigt habe.

Aus wichtigen Gründen kann der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer jederzeit das Arbeitsverhältnis fristlos auflösen (Art. 337 Abs. 1 OR). Als wichtiger Grund gilt namentlich jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf (Art. 337 Abs. 2 OR). Über das Vorhandensein solcher Umstände entscheidet der Richter nach seinem Ermessen, darf aber in keinem Fall die unverschuldete Verhinderung an der Arbeitsleistung als wichtigen Grund anerkennen (Art. 337 Abs. 3 OR).

Grund für sein Unterliegen in den vorinstanzlichen Verfahren war insbesondere, dass der Arbeitnehmer nicht substanziiert hatte, welche Arbeiten bzw. welche Umstände bei der Tätigkeit in der Reinigungsabteilung eine negative Auswirkung auf seine Gesundheit hatten. Auch im bundesgerichtlichen Verfahren sei eine solche Substantiierung unterblieben, weshalb nach wie vor nicht belegt sei, inwiefern die behauptete Mehl- und Eierallergie ihn an der Tätigkeit in der Reinigungsabteilung hinderte. Der Arbeitnehmer könne sich bei der Behauptung des fehlenden wichtigen Grundes nicht auf diese behaupteten gesundheitlichen bzw. medizinischen Gründe stützen. Vielmehr kam das Bundesgericht wie auch die Vorinstanzen zum Schluss, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Arbeitgeberin unzumutbar gewesen sei.

Das Bundesgericht erachtete die fristlose Kündigung im Ergebnis als gerechtfertigt und wies die Beschwerde vollständig ab.

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Stockwerkeigentum: Richterliche Kompetenzen

Apartment House

Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 5A_726/2021 vom 15. Juni 2022 mit einer Streitigkeit unter Stockwerkeigentümern auseinandergesetzt und in diesem Zusammenhang festgehalten, welche richterliche Eingriffe in das Stockwerkeigentum zulässig sind.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 1966 wurde Stockwerkeigentum vor Erstellung des Gebäudes, bestehend aus 12 Stockwerkeinheiten aufgeteilt auf zwei Gebäude mit je 6 Stockwerkeinheiten, begründet. In der Folge wurde jedoch nur ein Gebäude gebaut und es entstanden nur 6 Stockwerkeinheiten. Die Fläche, welche für die Erstellung des anderen Gebäudes vorgesehen war, blieb bis heute unbebaut und ist seit 1974 nicht mehr überbaubar. Im Grundbuch ist aber nach wie vor Stockwerkeigentum mit 12 Stockwerkeinheiten eingetragen. Die sechs tatsächlich gebauten Stockwerkeinheiten stehen im Eigentum von 5 Personen und die sechs nicht gebauten Stockwerkeinheiten stehen im Eigentum zweier Personen, wobei einer Person 5 Stockwerkeinheiten gehören. Drei Eigentümer der tatsächlich gebauten Stockwerkeinheiten verlangen nun die Aufhebung des bestehenden Stockwerkeigentums, die Überführung der so abparzellierten unbebauten Fläche ins Miteigentum der bisherigen beiden Stockwerkeigentümer und die Begründung eines neuen Stockwerkeigentums für die tatsächlich gebauten Stockwerkeinheiten.

Die erste Instanz wies die Klage ab. Die zweite Instanz hob diesen Entscheid auf und wies die Sache zur Klärung der Überbaubarkeit der Grundstücke an die erste Instanz zurück. Die erste Instanz hiess die Klage in der Folge vollumfänglich gut. Die zweite Instanz hob diesen Entscheid infolge Berufung auf. Drei der Eigentümer der tatsächlich gebauten Stockwerkeinheiten gelangten mit Beschwerde ans Bundesgericht.

Die gerichtlichen Befugnisse, in ein Miteigentumsverhältnis einzugreifen, sind gesetzlich beschränkt. Das Gericht kann unter bestimmten, hier laut Bundesgericht nicht geltend gemachten Voraussetzungen, einen Miteigentümer aus der Gemeinschaft ausschliessen (Art. 649b ZGB) oder anordnen, dass die im Miteigentum stehende Sache körperlich geteilt wird, oder wenn dies ohne wesentliche Verminderung ihres Wertes nicht möglich ist, öffentlich oder unter den Miteigentümern versteigert wird (Art. 651 Abs. 2 ZGB). Die gerichtliche Zuweisung der im Miteigentum stehenden Sache gestatte das Gesetz nicht. Alle weiteren Entscheidbefugnisse des Gerichts würden vielmehr eine Vereinbarung oder übereinstimmende Begehren der Miteigentümer voraussetzen. So könne das Gericht die ganze Sache auf einen oder mehrere Miteigentümer unter Auskauf der übrigen übertragen, wenn sich die Miteigentümer über diese Teilungsart einig sind und nur darüber streiten, wem die Sache zu übertragen ist und wieviel der Auskauf betragen solle, oder gerichtlich könne ausnahmsweise der Austritt von einzelnen oder mehreren Miteigentümern angeordnet werden, wenn die übrigen Miteigentümer an der Gemeinschaft festhalten wollen und sich alle Beteiligten auf eine Abfindung des oder der Austretenden einigen.

Selbst für den Fall, dass das Gericht das Stockwerkeigentum in gewöhnliches Miteigentum zurückführen könnte, seien sich die Parteien vorliegend laut Bundesgericht in nichts einig und würden auch keine übereinstimmenden Anträge stellen. Es sei deshalb ausgeschlossen, nach Aufhebung des Stockwerkeigentums das Miteigentum an der nicht überbaubaren Fläche unter gleichzeitigem Ausschluss aller übrigen Miteigentümer gerichtlich zuzuweisen. Zudem seien hier die Voraussetzungen für einen Ausschluss einzelner Stockwerkeigentümer aus der Gemeinschaft nicht geltend gemacht worden. Eine gerichtliche Löschung der nicht gebauten Stockwerkeinheiten und damit verbunden der Ausschluss der Stockwerkeigentümer dieser Stockwerkeinheiten aus der Gemeinschaft, ohne dass die Voraussetzungen von Art. 649b ZGB dafür erfüllt wären, sei rechtlich ausgeschlossen. Die Prüfung des Grundbuchberichtigungsverfahren gemäss Art. 69 Abs. 4 GBV könne vorliegend daher ausbleiben.

Im Ergebnis wies das Bundesgericht die Beschwerde vollständig ab.

Der Entscheid verdeutlicht die (rechtlichen) Herausforderungen im Zusammenhang mit Stockwerkeigentum. brumann müller recht verfügt über grosse Expertise im Immobilienrecht. Wir beraten und unterstützen Sie bei Fragen rund um den Erwerb von Immobilien sowie bei rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit bereits erworbenen Immobilien. Kontaktieren Sie uns.

Erbrecht – öffentliche Versteigerung von Grundstücken

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Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 5A_984/2021 vom 17. Mai 2022 mit einer Anordnung einer öffentlichen Versteigerung zweier Wohnungen auseinandergesetzt.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 2006 verstarb der Vater zweier Töchter und gesetzlicher Erbinnen desselben. In der Erbmasse befanden sich insbesondere zwei Wohnungen. Im Erbteilungsverfahren konnten sich die beiden Erbinnen nicht einigen, wie diese beiden Wohnungen zu teilen sind. Uneinigkeit besteht insbesondere betreffend die Frage, ob die Versteigerung unter den Erbinnen oder aber öffentlich erfolgen soll.

Die erste Instanz entschied, den Erbinnen 30 Tagen Zeit zu geben, um einen freihändigen Verkauf mit einer Käuferschaft ihrer Wahl zu vereinbaren. Für den Fall, dass für beide oder eine der Wohnungen die angesetzte Frist ungenutzt verstreichen sollte oder innert dieser Frist kein Freihandverkauf vereinbart werden könne, würde das betreffende Grundstück bzw. würden beide Grundstücke öffentlich versteigert werden. Die zweite Instanz bestätigte in der Folge diesen Entscheid.

Die gesetzlichen Erben können, wo es nicht anders angeordnet ist, die Teilung frei vereinbaren (Art. 607 Abs. 2 ZGB). Scheitert eine Einigung und hat auch der Erblasser keine anderslautenden Vorschriften aufgestellt (Art. 608 ZGB), finden die gesetzlichen Teilungsregeln Anwendung. Danach sollen die Erbschaftssachen – wenn immer möglich – in natura unter den Erben verteilt werden (Art. 610 Abs. 1 ZGB). Verliert eine Erbschaftssache durch Teilung wesentlich an Wert, soll sie einem der Erben ungeteilt zugewiesen werden (Art. 612 Abs. 1 ZGB). Laut bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist die Erbschaftssache nur dann zu verkaufen und der Erlös zu teilen, wenn der Wert dieser Erbschaftssache den Betrag eines Erbteils erheblich übersteigt.

Gemäss Art. 612 Abs. 3 ZGB hat auf Verlangen eines Erben der Verkauf auf dem Weg der Versteigerung stattzufinden, wobei, wenn die Erben sich nicht einigen, die zuständige Behörde entscheidet, ob die Versteigerung öffentlich oder nur unter den Erben stattfinden soll. Das Bundesgericht bestätigt seine Rechtsprechung, wonach das Gericht bei der Wahl zwischen der beiden Varianten sämtliche Umstände des Einzelfalls berücksichtigen muss. Wenn keiner der Erben ein Grundstück übernehmen wolle, komme ausschliesslich die öffentliche Versteigerung infrage. Dasselbe gelte, wenn nicht alle Erben bzw. nur einer von mehreren Erben über die erforderlichen Mittel verfügen, um das Grundstück zu erwerben. Während die öffentliche Versteigerung in aller Regel einen besseren Preis ermögliche, seien nicht allein die pekuniären Interessen der Erben massgebend. Zu berücksichtigen sei, wenn aus Pietätsgründen ein Grundstück im Eigentum der Familie verbleiben solle. Pietätsgründe könnten aber keine Rolle spielen, wenn von zwei Erben nur einer steigerungsfähig sei.

Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass die beschwerdeführende Tochter mit ihren Ausführungen bestätige, aktuell nicht in der Lage zu sein, den Preis für einen allfälligen Zuschlag aus eigenen Mitteln zu bezahlen. Mit der blossen Behauptung, «mit einer Liegenschaft als Sicherheit ohne weiteres privat entsprechende Kredite und Darlehen» erhältlich machen zu können, vermöge sie die Feststellung der Steigerungsunfähigkeit nicht als offensichtlich unrichtig auszuweisen. Das Steigerungsverfahren ist laut Bundesgericht von Vornherein nicht dazu bestimmt, eine nicht leistungsfähige oder gar eine nicht übernahmewillige Person an der Versteigerung teilnehmen und das Steigerungsergebnis in die Höhe treiben zu lassen, um bei einem allfälligen Zuschlag zu erklären, die Liegenschaft nicht übernehmen zu können. Allfällige Pietätsgründe können angesichts der Steigerungsunfähigkeit der beschwerdeführenden Tochter keine Berücksichtigung finden.

Im Ergebnis wies das Bundesgericht die Beschwerde vollständig ab und erachtete die Anordnung der öffentlichen Versteigerung als zulässig.

Umwandlung eingetragene Partnerschaft in Ehe

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Ab heute – 1. Juli 2022 – können eingetragene Partnerschaften in der Schweiz in eine Ehe umgewandelt werden. Voraussetzung ist, dass die eingetragene Partnerschaft vor dem 1. Juli 2022 im Schweizerischen Personenstandsregister beurkundet und zwischenzeitlich nicht aufgelöst worden ist.

Falls Sie Ihre eingetragene Partnerschaft umwandeln möchten, zeigt sich das Vorgehen wie folgt:

Abgabe einer “Erklärung”

Die Umwandlung erfolgt über eine “Erklärung” vor einem schweizerischen Zivilstandsamt. Bei der Wahl des Zivilstandsamtes sind Sie frei und nicht an Ihren Wohnsitz gebunden.

Terminvereinbarung

Vereinbaren Sie einen Termin beim gewünschten Zivilstandsamt.

“Feierliche Umwandlung” vs. “Nicht feierliche Umwandlung”

Sie haben die Wahl zwischen einer feierlichen Umwandlung (mit Zeugen und Gäste) und einer nicht feierlichen Umwandlung (ohne Zeugen und Gäste). Bei einer feierlichen Umwandlung besteht zudem die Option der Nutzung eines externen Trauungslokals.

Benötigte Dokumente

Bringen Sie zum Termin ein offizielles Ausweisdokument (Pass oder ID) sowie gegebenenfalls den Niederlassungs-/ Ausländerausweis mit.

Kosten

Die Gebühren sind direkt vor Ort zu bezahlen. Die Umwandlungserklärung kostet CHF 75. Für feierliche Umwandlungen und externe Trauungslokale werden Zuschläge erhoben.

Aus dem Bundeshaus: die sehnsüchtig erwartete E-ID

E-Banking

Im Nachgang an die Abstimmung vom 7. März 2021 hat der Bundesrat die Verwaltung beauftragt, eine Vorlage zu einer staatlichen E-ID zu erarbeiten.

Das Ziel lässt sich einfach zusammenfassen: Nutzer:innen sollen sich sicher, schnell und unkompliziert digital ausweisen können. Alle Personen, die über eine Schweizer Identitätskarte, einen Schweizer Pass oder einen von der Schweiz ausgestellten Ausländerausweis verfügen, sollen eine E-ID beantragen können. Die Nutzung der E-ID soll freiwillig und kostenlos sein.

Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 29. Juni 2022 die Vernehmlassung zum Vorentwurf für ein entsprechendes Bundesgesetz eröffnet (Medienmitteilung). Die Vernehmlassung dauert bis am 20. Oktober 2022.

Persönlichkeitsschutz – Gegendarstellung

print media

Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 5A_559/2021 vom 7. Juni 2022 mit der Form der Gegendarstellung im Sinne von Art. 28h Abs. 1 ZGB auseinandergesetzt.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Zwei Medienunternehmen berichteten zu Mängeln und Vorfällen in einer Abteilung eines Spitals. Die Berichterstattung des ersten Medienunternehmens (nachfolgend: Herausgeberin I) erfolgte im Zeitraum von Mai bis August 2020 in ihren Printmedien, wobei sie dem Professor und früheren Leiter dieser Abteilung des Spitals vorwarf, verschwiegen zu haben, am finanziellen Erfolg eines Herstellers finanziell zu profitieren.

Die Berichterstattung des zweiten Medienunternehmens (nachfolgend: Herausgeberin II) fand im Zeitraum vom 3. bis 5. März 2021 in ihrem Online-Magazin statt. Sie veröffentlichte am 8. März 2021 ergänzend ein Interview mit einem Professor und dem Herausgeber einer Fachzeitschrift. In diesem Interview kam die Berichterstattung der Herausgeberin I und namentlich der vorgenannte Vorwurf gegenüber dem früheren Abteilungsleiter zur Sprache. Es wurde insbesondere ausgeführt, die Herausgeberin I habe eine Liste mit Interessenkonflikten des früheren Abteilungsleiters erhalten. Dies sei in der Berichterstattung jedoch verschwiegen worden, was schlechter Journalismus sei.

Hierzu verlangte die Herausgeberin I eine Gegendarstellung, deren Veröffentlichung durch die Herausgeberin II abgelehnt wurde.

Die Herausgeberin I klagte bei der Vorinstanz insbesondere auf Veröffentlichung eines Gegendarstellungstextes, worin der Vorgang ihrer Berichterstattung in Bezug auf die Offenlegung von Interessenkonflikten im Fall des Abteilungsleiters umfassend erläutert wurde. Die Vorinstanz wies dieses Gegendarstellungsbegehren vollumfänglich ab. Gegen dieses Urteil erhob die Herausgeberin I Beschwerde an das Bundesgericht.

Gemäss Art. 28h Abs. 1 ZGB ist der Text der Gegendarstellung in knapper Form auf den Gegenstand der beanstandeten Darstellung zu beschränken. Das Bundesgericht verweist auf seine ständige Rechtsprechung, wonach für die Form – wie für den Anspruch auf Gegendarstellung selbst (Art. 28g Abs. 1 ZGB) – der Grundsatz «Tatsachen gegen Tatsachen» gilt. Gegendarstellungstexte, die nicht unmittelbar auf Tatsachen in der Erstmitteilung Bezug nehmen, die eigene Meinung oder Werturteile zum Ausdruck bringen oder sonstwie an der Sache vorbeigehen, genügen den gesetzlichen Anforderungen an die Form gemäss Art. 28h Abs. 1 ZGB laut Bundesgericht nicht. Genüge der Text der Gegendarstellung den gesetzlichen Anforderungen nicht, so habe das Gericht ihn anzupassen, soweit dies ohne inhaltliche Änderung oder eigentliche redaktionelle Überarbeitung möglich sei. Wo die Grenze einer insgesamt unzulässigen und daher auch nicht einer Kürzung zugänglichen und einer nur teilweise unzulässigen bzw. kürzbaren Gegendarstellung zu ziehen sei, könne nicht generell-abstrakt umschrieben werden. Nicht besanstandet habe die Rechtsprechung etwa reine Textkürzungen, d.h. das Weglassen von ganzen Abschnitten und von Satzteilen in einem Abschnitt des eingeklagten Gegendarstellungstextes, oder die Ergänzung des Textes mit einem Datum. Das Bundesgericht hat in anderen Entscheiden hingegen beispielsweise die neue Redaktion des Gegendarstellungstextes oder die Umgestaltung des Textes in einer Weise, die über die ursprüngliche Aussage hinausgeht, nicht zugelassen.

Vorliegend kam das Bundesgericht zum Schluss, dass der eigentliche Gegendarstellungstext aus den Hintergrundinformationen herausgehoben und neu formuliert werden müsste, damit die Anpassung den gesetzlichen Erfordernissen genügen würde. Die Anpassung sprenge somit den Rahmen dessen, wozu das Gericht berechtigt und verpflichtet sei. Es komme hinzu, dass die auf Gegendarstellung klagende Herausgeberin I in ihrer Eigenschaft als Medienunternehmen genau wisse, was als Gegendarstellungstext noch zulässig sein könne. Die sich aufdrängende Frage, ob ihre allenfalls zu Werbezwecken verlangte Gegendarstellung mit Verweis auf Art. 28h Abs. 2 ZGB nicht als rechtsmissbräuchlich erscheine, müsse mangels entsprechender Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz dahingestellt bleiben.

Im Ergebnis wies das Bundesgericht die Beschwerde des Medienunternehmens vollständig ab und erachtete eine Anpassung des Gegendarstellungstextes als unzulässig.