Bundesrat will Position von Grundstückbesitzer:innen bei Hausbesetzungen stärken

Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 15. Dezember 2023 die Botschaft zur Verbesserung der Stellung von Grundstückbesitzer:innen verabschiedet. Er ging hierbei auf die Forderungen der Motion Feller 15.3531 ein, welche die Beseitigung existierender Hürden im geltenden Recht für die Wiederbemächtigung des Besitzes durch den/die Grundstückbesitzer:in forderte (MM).

Eckdaten: Der Bundesrat schickte eine Änderung des Schweizer ZGB zur Besserstellung von Grundstückbesitzer:innen am 2. September 2020 in die Vernehmlassung und nahm am 29. Juni 2022 die Resultate der Vernehmlassung zur Kenntnis. Am 15. Dezember 2023 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zur Weiterbearbeitung durch das Parlament.

Konkrete Änderungen: Der Bundesrat entschied einerseits, dass der/die Grundstückbesitzer:in zur eigenständigen Wiederbemächtigung des Grundstücks weiterhin «sofort» handeln muss. Dies diene der Rechtssicherheit und verhindere, dass das staatliche Gewaltmonopol «aufgeweicht» wird. Gleichzeitig legte der Bundesrat fest, dass die Frist zur Handlung dann beginnt, wenn der/die Besitzer:in Kenntnis von der Hausbesetzung erhält – sofern dies bei gebotener Sorgfalt nicht bereits früher möglich gewesen wäre. Gemäss dem neuen Gesetzesentwurf kann Selbsthilfe angewendet werden, sofern amtliche Hilfe nicht rechtzeitig verfügbar ist und sich der/die Besitzer:in jeder nach den Umständen nicht gerechtfertigten Gewalt enthält (vgl. Art. 926 Abs. 4 E-ZGB). Die Zulässigkeit der Selbsthilfe hängt damit von den Umständen im Einzelfall ab.

Der neue Gesetzesentwurf verzichtet – vor dem Hintergrund der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen – auf direkte Vorgaben zur Räumung von Hausbesetzungen. Immerhin sehen die Änderungen des Bundesrats eine Verminderung von prozessualen Hürden zur Räumung von Grundstücken vor und gewährt Grundstückbesitzer:innen insbesondere die Möglichkeit zur gerichtlichen Verfügung gegen unbekannte Personen und damit zur rascheren Zwangsräumung. Ferner können Besitzer:innen gerichtliche Verfügungen neu auf Antrag durch eine Behörde anbringen lassen.

Zur Medienmitteilung

Rechtliche Inputs :

  • Unterscheidung zwischen Besitz und Eigentum: Die Vorschriften, welche die Hausbesetzung betreffen, knüpfen am Grundstückbesitz an (sog. Besitzesschutz). (Grund-)Besitzer:innen sind von (Grund-)Eigentümer:innen zu unterscheiden: Ein:e Besitzer:in hat die tatsächliche Gewalt über eine Sache (vorliegend das Grundstück) und übt die Gewalt willentlich über diese Sache bzw. das Grundstück aus (vgl. Art. 919 Abs. 1 ZGB; Ernst/Zogg, BSK ZGB II, Aufl. 7, Art. 919 N 15 ff.). Demgegenüber hat ein:e Eigentümer:in alle Befugnisse an einer Sache, die im Rahmen des Rechts möglich sind, wobei diese Befugnisse «die Sache in ihrer Gesamtheit» betreffen. Eigentümer:innen haben somit namentlich das Recht, die Sache zu verkaufen oder Eingriffe von Dritten abzuwehren (vgl. Art. 641 ZGB; Wolf/Wiegand, Vor Art. 641 ff., N 42 und Art. 641 N 25, 31 ff.). Eigentümer:innen können zugleich Besitzer:innen sein, wenn sie Eigentum an einer Sache bzw. an einem Grundstück haben und dort tatsächliche Gewalt ausüben.
    Beispiel: A mietet eine Wohnung des Vermieters B, dem die Wohnung gehört. B ist der Eigentümer der Wohnung. Er kann darüber bestimmen, was er damit machen möchte, und könnte diese verkaufen. A ist Mieter und hat damit tatsächliche Gewalt über die Wohnung. A ist Besitzer. Vermietet B die Wohnung nicht und wohnt er selbst darin, ist er zugleich Eigentümer und Besitzer.
  • Kantonale Regelung (vgl. Mabillard, S. 156 ff.): Seit Inkrafttreten des Besitzesschutzes auf Bundesebene (Art. 926 ff. ZGB) wurde der Besitzesschutz in den Kantonen weitgehend vereinheitlicht. Dennoch haben die kantonalen Behörden in der Rechtsanwendung und Rechtsdurchsetzung sowie in der Umsetzung des Besitzesschutzes nach wie vor grosse Spielräume. Im Bereich von Hausbesetzungen ist heute noch das kantonale (Polizei-)Recht massgebend. Nachstehend werden beispielhaft die Voraussetzungen für eine Räumung für die Kantone Bern, Zürich und Genf aufgezeigt:
  • Bern: Gemäss Berner Praxis setzt eine polizeiliche Räumung einen Straf- sowie einen Räumungsantrag voraus. Ein vorheriger Zivilprozess ist nicht notwendig. Liegen die Voraussetzungen zur polizeilichen Räumung vor, wird die Räumung des besetzten Grundstücks unter Berücksichtigung des Verhältnismässigkeits- und des Opportunitätsprinzips durchgeführt. Die Praxis der polizeilichen Räumung wird von einem Präventions- und Vermittlungsangebot der Zwischennutzungsstelle der Immobilienverwaltung der Stadt Bern begleitet. Zurzeit wird eine Anpassung der Berner Praxis an die Zürcher Praxis diskutiert (vgl. S. 175 ff. des Gutachtens).
  • Zürich: Die Zürcher Stadtpolizei kennt mit dem Massnahmenkonzept «Prävention, Legalisierung, Strafverfolgung und Räumung» eine mehrstufige Praxis. Nach dieser Praxis sind für die polizeiliche Räumung durch die Stadtpolizei vorausgesetzt: Ein gültiger Strafantrag sowie entweder «eine rechtskräftige Abbruchbewilligung, eine rechtskräftige Baubewilligung einschliesslich Baufreigabe und Belege der unverzüglichen Aufnahme der Abbruch- bzw. Bauarbeiten, ein Vertrag zur Nutzung der Liegenschaft nach deren Räumung oder eine Gefährdung der Sicherheit von Personen bzw. von denkmalgeschützten Bauteilen oder Einrichtungen». Die Stadtpolizei Zürich stützt sich dabei in erster Linie auf ein Merkblatt für Hausbesetzungen, das vom Stadtrat erlassen wurde (vgl. S. 183 ff. des Gutachtens).
  • Genf: Das Vorgehen gegen Hausbesetzungen ist auf der Grundlage von kantonalen Rechtsgrundlagen (vgl. namentlich Art. 1 Abs. 3 lit. a LPol GE) möglich. Hierfür notwendig ist ein Strafbefehl und es muss der jeweilige Einzelfall berücksichtigt werden. Für die Genfer Polizei ist in erster Linie insbesondere die Kommunikation mit dem/der Grundbesitzer:in zentral (vgl. S. 158 ff. des Gutachtens).

Zum vollständigen Gutachten zur Motion Feller von Dr. iur. Ramon Mabillard LL.M : Besitzesschutz bei Hausbesetzungen

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Wer ist Eigentümer:in einer Quelle?

Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 5A_420/2022 vom 8. Dezember 2022 mit dem Eigentum an einer Quelle auseinandergesetzt.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: A, B und C sind Miteigentümer einer Parzelle in der Gemeinde Brig-Glis, auf der eine Quelle entspringt. Auf Klage dieser Miteigentümer stellte die erste Instanz fest, dass sich die genannte Quelle im Privateigentum der Miteigentümer befindet. Auf entsprechende Berufung der Einwohnergemeinde Brig-Glis wurde dieser erstinstanzliche Entscheid aufgehoben und festgehalten, dass es sich bei der Quelle um eine Bachquelle im öffentlichen Eigentum der Gemeinde Brig-Glis handelt. Gegen diesen Entscheid gelangten die Miteigentümer mit Beschwerde ans Bundesgericht.

Quellen sind gestützt auf das Akzessionsprinzip grundsätzlich Bestandteile der Grundstücke, auf welchen sie hervortreten (Art. 667 Abs. 2 ZGB, Art. 704 Abs. 1 ZGB); das Eigentum am Grundstück erstreckt sich daher auch auf die darauf entspringende Quelle. In Abgrenzung dazu besteht an öffentlichen Gewässern unter Vorbehalt anderweitigen Nachweises kein Privateigentum (Art. 664 Abs. 2 ZGB).

Unterschieden werden laut Bundesgericht Privatquellen, auf welche Art. 704 Abs. 1 ZGB Anwendung findet, und öffentliche Bach- oder Flussquellen. Das Bundeszivilrecht nennt die Kriterien nicht, nach denen aufgrund von Art. 664 Abs. 1 ZGB der Hoheit der Kantone unterstellte Gewässer als öffentlich zu betrachten sind. Diese Definition ist Sache der Kantone. Macht der Kanton von dieser Regelungskompetenz Gebrauch, wird die Öffentlichkeit des Gewässers durch einen Akt des Gesetzgebers begründet; das grundsätzlich als Bestandteil des umgebenden Erdbodens im Privateigentum stehende Gewässer wird somit als öffentlich konstituiert.

Der Kanton Wallis hat von der ihm zustehenden Kompetenz Gebrauch gemacht. Gemäss Art. 163 Abs. 3 EG ZGB fallen Wasserläufe ab demjenigen Punkt, wo sie entspringen, in das öffentliche Eigentum der Gemeinden. Ebenfalls in den Bereich des öffentlichen Gemeindeeigentums gehören grundsätzlich die unterirdischen Gewässer mit einer mittleren Wassermenge von mehr als 300 Liter/Minute (Art. 163 Abs. 4 EG ZGB). Anders als bei unterirdischen Gewässern regelt das kantonale Recht nicht, welche Mächtigkeit und/oder Stetigkeit der oberirdische Wasserlauf aufweisen muss, um als öffentliches Gewässer zu gelten. Damit sind im Kanton Wallis grundsätzlich alle Wasserläufe öffentlich.

Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist zur Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Wasseraustritt als Bachquelle zu qualifizieren ist, in erster Linie zu prüfen, ob der Wasserausstoss, unabhängig davon, ob das Wasser an einem oder mehreren Orten austritt, von Anfang an einen Wasserlauf – einen Bach – bildet. Ob das entspringende Wasser von Anfang an einen Wasserlauf bzw. einen Bach bildet, sei daran zu messen, ob es sich aufgrund der Mächtigkeit und Stetigkeit des Wasseraustritts ein Bett mit festen Ufern schafft oder zu schaffen vermöchte, wäre es nicht gefasst worden.

Vorliegend war unbestritten, dass das Wasser der Quelle an mehreren Orten austrat, dass das Wasser durch die Miteigentümer weder gefasst noch genutzt wurde, und dass sich vor der zu Messzwecken durch die Gemeinde Brig-Glis erstellten Fassung weder ein Bachbett noch ein Bachlauf gebildet hatte. Das Wasser versickerte. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sei eine Quelle nicht gleichsam abstrakt anhand der Mächtigkeit und Stetigkeit des Wasserausstosses bzw. der Folgen einer künstlichen Fassung als privat oder als öffentlich einzustufen. Wurde eine Quelle nicht gefasst, so äussert sich ihre Mächtigkeit und Stetigkeit laut Bundesgericht gerade darin, ob sich von Anfang an ein Wasserlauf gebildet, diese sich mit anderen Worten ein Bett mit festen Ufern zu schaffen vermocht hat. Es sei auf den ursprünglichen Zustand der Quelle abzustellen und nicht auf die Veränderung, die sich durch den von Menschenhand geführten Eingriff ergeben habe. Dies müsse erst recht gelten, wenn dieser Eingriff – wie hier – nicht durch die Grundeigentümer selbst veranlasst bzw. vorgenommen worden sei.

Ebenso wenig treffe die Überlegung zu, bei einer Mehrzahl von Wasseraustritten stehe der fehlende Bachlauf einer Qualifizierung einer Quelle als Bachquelle nicht entgegen, sofern deren Leistung insgesamt geeignet sei, einen Bachlauf zu bilden. Laut Bundesgericht fehlt ohne Wasserlauf bzw. Bach vielmehr jede Anknüpfung an ein öffentliches Gewässer, die es erlaubt, die Quelle als Teil des von ihr gebildeten Wasserlaufs zu betrachten.

Im Ergebnis stellte das Bundesgericht fest, dass die Quelle gerade nicht die Mächtigkeit und Stetigkeit besass, sich ein Bett mit festen Ufern zu schaffen, und nicht von Anfang an einen Wasserlauf bildete. Die Quelle sei daher eine Privatquelle im Sinne von Art. 704 Abs. 1 ZGB.

Das Bundesgericht hiess die Beschwerde der Miteigentümer vollumfänglich gut.