Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 5A_476/2021 vom 20. April 2022 mit einer vorsorglichen Massnahme in einem Ehescheidungsverfahren auseinandergesetzt.
Im konkreten Fall rechnete das erstinstanzliche Gericht dem Ehemann auf Gesuch der Ehefrau ein hypothetisches Einkommen an und legte den Unterhalt für die beiden gemeinsamen Kinder in einer vorsorglichen Massnahme fest. Das Obergericht bestätigte diesen Entscheid. Mangels finanzieller Mittel machte der Ehemann mit Beschwerde ans Bundesgericht die Verletzung des Willkürverbots geltend und verlangte die Aufhebung des entsprechenden Urteils und die Feststellung, dass er keinen Kindesunterhalt leisten kann.
Unbestritten war, dass der Ehemann kein Deutsch sprach und ihm, als er zuvor in der Schweiz gearbeitet hatte, infolge der Covid-19-Pandemie gekündigt wurde. In der Folge ist er zurück nach Italien, seinem Heimatland, wo er nach zwei Monaten eine Stelle fand und wieder ein Einkommen generieren konnte, welches aber erheblich unter dem Schweizer Lohnniveau lag.
Die beiden Vorinstanzen hatten insbesondere erwogen, dass der Ehemann in der Schweiz keine Stelle gesucht und sich auch nicht bei der Arbeitslosenkasse angemeldet habe. Es sei allein dem Ehemann zuzuschreiben, dass sein Einkommen, welches er mit seiner Anstellung in Italien generiere, erheblich unter dem Schweizer Lohnniveau liege. Der Ehemann hätte in der Schweiz mit der Hilfe der Regionalen Arbeitsvermittlung (RAV) ohne weiteres eine Stelle finden und zum Beispiel Deutsch lernen können. Seine Kinder und damit seine nächsten Verwandten würden in der Schweiz leben. Zudem habe der Ehemann früher in verschiedenen Regionen Italiens gelebt, womit er es gewohnt sei, sich in einer neuen Umgebung zurechtzufinden. Der Ehemann sei selbst für seine fehlende Integration in der Schweiz verantwortlich. Als Bürger der EU habe er sodann das Recht auf eine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz, sofern er einen Arbeitsvertrag vorweisen könne. Im Ergebnis wurde dem Ehemann ein hypothetisches Einkommen im Umfang jenes Einkommens angerechnet, welches er bei seiner früheren Anstellung in der Schweiz generiert hatte.
Das Bundesgericht bestätigt den vorinstanzlichen Entscheid und stellt fest, dass die massgebende Rechtsprechung sowohl zur Anrechnung eines hypothetischen Einkommens als auch zur Ausnützung der Erwerbskraft im Verhältnis zum unmündigen Kind berücksichtigt worden sei. Gemäss dieser bundesgerichtlichen Rechtsprechung müssen sich die Eltern auch in örtlicher Hinsicht so ausrichten, dass sie ihre Arbeitskapazität voll ausschöpfen können, weshalb auch ein an sich zulässiger Wegzug ins Ausland unbeachtlich bleiben kann, wenn eine weitere Arbeitstätigkeit in der Schweiz zumutbar wäre. Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass der Ehemann gemessen an dieser Rechtsprechung keine Verletzung des Willkürverbots aufzeigen vermag.
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