Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 4A_29/2022 vom 19. April 2022 mit einem Immobilienkaufvertrag auseinandergesetzt. Im konkreten Fall wurden im Oktober 2019 verschiedene Grundstücke (Wohnhaus, Scheune, Wiesen, Auslauffläche für Tiere) in einem Weiler verkauft.
Die Verkäuferin und die Käufer hatten vereinbart, dass die Übergabe der Grundstücke bis Ende März 2020 stattfinden soll. Tatsächlich fand die Übergabe der Grundstücke bis heute nicht statt. Die Klage der Käufer auf Übertragung der Grundstücke wurde erstinstanzlich gutgeheissen. Die zweite Instanz wies die Berufung der Verkäuferin ab, worauf die Verkäuferin dieses Urteil beim Bundesgericht anfocht.
Die Verkäuferin machte geltend, sie habe wegen ihrer körperlichen Einschränkung den Wunsch gehegt, die Liegenschaft umzunutzen und in der Scheune eine Wohnung mit Lift einzubauen. Anlässlich entsprechender Abklärungen im Jahr 2016 habe ihr ein Mitarbeiter der Baudirektion des Kantons Zürich sehr bestimmt mitgeteilt, ein Ausbau der Scheune sei in Zukunft ausgeschlossen, weil sich diese in der Landwirtschaftszone befinde, frühere Bestrebungen zu baulichen Umnutzungen in der Landwirtschaftszone gescheitert seien und die Regeln immer strenger würden. Nach Abschluss des Kaufvertrags im Januar 2020 habe die Verkäuferin erfahren, dass die Bau- und Zonenordnung geändert und eine Umnutzung der Scheune doch möglich werden solle. Im Februar 2020 teilte sie den Käufern mit, sie sei im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses einem Grundlagenirrtum erlegen, indem sie der irrigen Vorstellung gewesen sei, eine Umnutzung der Scheune sei nicht möglich. Sie hätte den Kaufvertrag bei Kenntnis der wahren Sachlage nicht abgeschlossen, weshalb der Kaufvertrag für sie nicht verbindlich sei. Angesichts der klaren Äusserungen des zuständigen Mitarbeiters der Baudirektion habe kein Anlass für neue Abklärungen vor Abschluss des Kaufvertrags bestanden.
Ein Vertrag ist für denjenigen unverbindlich, der sich beim Abschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat (Art. 23 OR). Ein solcher liegt namentlich vor, wenn der Irrtum einen bestimmten Sachverhalt betraf, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR). Ein Grundlagenirrtum kann auch dann vorliegen, wenn der Irrtum auf die Fahrlässigkeit des Irrenden zurückzuführen ist (Art. 26 OR). Allerdings ist die Berufung auf den Grundlagenirrtum unstatthaft, wenn sie Treu und Glauben widerspricht (Art. 25 Abs. 1 OR).
Das Bundesgericht bestätigt seine Rechtsprechung zum Grundlagenirrtum: Kümmert sich eine Vertragspartei bei Vertragsschluss nicht um die Klärung einer bestimmten, sich offensichtlich stellenden Frage, kann dies bewirken, dass die Gegenseite daraus nach Treu und Glauben den Schluss ziehen darf, der entsprechende Umstand werde vom Partner nicht als notwendige Grundlage des Vertrags betrachtet. In solchen Fällen ist die Berufung auf den Grundlagenirrtum ausgeschlossen.
Im zu beurteilenden Fall kommt das Bundesgericht zum Schluss, dass die Käufer nach Treu und Glauben mangels Thematisierung der Frage der Umnutzungsmöglichkeit oder anderer Anhaltspunkte davon ausgehen durften, die Verkäuferin habe die für sie wesentlichen Abklärungen, wozu im konkreten Fall künftige Umnutzungsmöglichkeiten zählten, vorgenommen. Das Verhalten der Verkäuferin indizierte den Käufern in keiner erkennbarer Weise, dass ihr Verkaufsentschluss auf einer irrigen Vorstellung über die Umnutzungsmöglichkeiten beruhte. Die Käufer durften daher annehmen, die Verkäuferin habe die nötigen Abklärungen getroffen. In diesem berechtigten Vertrauen sind sie zu schützen und die Beschwerde der Verkäuferin wurde abgewiesen.