Der Bundesrat hat an seiner heutigen Sitzung beschlossen, die Änderung der ZPO per 1. Januar 2025 in Kraft zu setzen (MM).
Zu einigen Änderungen (vgl. Referendumsvorlage):
Kostenvorschuss:
Nach geltendem Recht kann die klagende Partei verpflichtet werden, die mutmasslichen Gerichtkosten vollumfänglich vorzuschiessen. Künftig betragen die Vorschüsse grundsätzlich noch maximal die Hälfte des mutmasslichen Gesamtbetrags (Art. 98 Abs. 1 revZPO).
Liquidation der Prozesskosten:
Nach geltendem Recht werden die Gerichtskosten mit den geleisteten Vorschüssen verrechnet – und zwar auch gegenüber einer nicht kostenpflichtigen Partei. Künftig dürfen Vorschüsse nur noch in den Fällen der Kostenpflichtigkeit einer Partei verrechnet werden (Art. 111 Abs. 1 revZPO). Dies führt zu einer Verschiebung des Insolvenzrisikos für die Gerichtskosten auf den Staat.
Schlichtungsverfahren:
50 bis 80% der Streitigkeiten werden im Rahmen von Schlichtungsverfahren erledigt. Künftig soll die Schlichtung noch häufiger angewendet werden und die Schlichtungsbehörde erhält zusätzliche Kompetenzen: so kann die Schlichtungsbehörde künftig bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von CHF 10’000 (aktuell CHF 5’000) einen Entscheidvorschlag (geltendes Wording: “Urteilsvorschlag”) unterbreiten (Art. 210 abs. 1 Bst. c revZPO). Neu ist auch die gesetzliche Verankerung einer Ordnungsbusse als Säumnisfolge (Art. 206 Abs. 4 revZPO).
Internationale Handelsgerichtsbarkeit und Einsatz elektronischer Mittel zur Ton- und Bildübertragung:
Nach der Revision können die Kantone ihr allfälliges Handelsgericht unter bestimmten Voraussetzungen auch für internationale Handelsstreitigkeiten vorsehen. Ferner sollen die Gerichte künftig Zivilprozesse unter bestimmten Voraussetzungen mittels elektronischer Ton- und Bildübertragung durchführen können (Art. 141a und 141b revZPO).
Anpassungen im Novenrecht:
Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen war auch die Anpassung der “Novenschranke” ein umstrittenes Thema. Gemäss der verabschiedeten neuen Regelung von Art. 229 Abs.2 und 2bis revZPO gilt neu:
Hat weder ein zweiter Schriftenwechsel noch eine Instruktionsverhandlung stattgefunden, so können neue Tatsachen und Beweismittel in der Hauptverhandlung im ersten Parteivortrag unbeschränkt vorgebracht werden.
In den anderen Fällen können neue Tatsachen und Beweismittel innerhalb einer vom Gericht festgelegten Frist oder, bei Fehlen einer solchen Frist, spätestens bis zum ersten Parteivortrag in der Hauptverhandlung vorgebracht werden, wenn sie: a. erst nach Abschluss des Schriftenwechsels oder nach der letzten Instruktionsverhandlung entstanden sind (echte Noven); oder b. bereits vor Abschluss des Schriftenwechsels oder vor der letzten Instruktionsverhandlung vorhanden waren, aber trotz zumutbarer Sorgfalt nicht vorher vorgebracht werden konnten (unechte Noven).
Nach den ersten Parteivorträgen werden neue Tatsachen und Beweismittel nur noch berücksichtigt, wenn sie in der vom Gericht festgelegten Frist oder, bei Fehlen einer solchen Frist, spätestens in der nächsten Verhandlung vorgebracht werden.
Es wird abzuwarten sein, wie sich diese Neugestaltung des Novenrechts auf die Praxis auswirken wird.
Der kollektive Rechtsschutz (“Sammelklage”) wird in einer getrennten Vorlage behandelt. Mehr dazu unter: bm-aktuell, vgl. auch den Entwurf des Bundesrates. Diesbezüglich erfährt die ZPO somit (noch) keine Anpassung. Die zuständige Kommission (RK-N) hat diesbezüglich am 4. Juli 2023 entschieden, dass vor ihrem Entscheid über das Eintreten auf die Vorlage eine erweiterte Prüfung möglicher Sicherheitsmassnahmen zur Verhinderung von missbräuchlicher Nutzung der Sammelklage-Instrumente sowie eine Validierung der vorliegenden Regulierungsfolgenabschätzung angezeigt sei. Die Kommission wird die Beratung voraussichtlich im 1. Quartal 2024 wieder aufnehmen (MM).
Für eine abschliessende Übersicht der anstehenden Änderungen wird der Beitrag von Philipp Weber (RA und Leiter Fachbereich Zivilrecht und Zivilprozessreicht BJ) in der ZBJV 159/2023, 377 ff. empfohlen.