Fuss- und Fahrwegrecht: Umfang und Verlauf der Dienstbarkeit

Das Bundesgericht hat sich mit Urteil 5A_472/2021 vom 29. März 2022 mit einem Fuss- und Fahrwegrecht auseinandergesetzt.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Zwei benachbarte Grundstücke X und Y sind je mit einem Einfamilienhaus mit Garage überbaut. Die Zufahrt ab der öffentlichen Strasse zum Grundstück X erfolgt über eine Stichstrasse, deren Benutzung ein im Grundbuch eingetragenes Fuss- und Fahrwegrecht von 3 m Breite zugunsten des Grundstücks X und zulasten des Grundstücks Y gewährleistet. Der Weg führt auf dem belasteten Grundstück Y über einen teils asphaltierten und teils mit Pflastersteinen belegten Platz zwischen den beiden Einfamilienhäusern, an den die beiden Garagen grenzen. Die Eigentümer der beiden Grundstücke waren sich über den Umfang und den Verlauf des Wegrechts nicht einig.

Ausgangspunkt für die Ermittlung von Inhalt und Umfang einer Dienstbarkeit ist der Grundbucheintrag (Art. 738 ZGB). Soweit dieser undeutlich ist, bestätigt das Bundesgericht die Ausführungen der Vorinstanz, wonach sich der Inhalt und Umfang der Dienstbarkeit diesfalls nach dem Erwerbsgrund und, soweit nicht schlüssig, nach der unangefochtenen Ausübung der Dienstbarkeit während längerer Zeit in gutem Glauben bestimmt. Trete die Dienstbarkeit baulich in Erscheinung bzw. lasse sie sich durch bauliche Massnahmen abgrenzen (sog. natürliche Publizität), so habe sich der Erwerber diesen Zustand im Zeitpunkt des Erwerbs grundsätzlich unabhängig von Grundbucheintrag und Begründungsakt entgegenhalten zu lassen.

Gemäss dem durch die Begründungsparteien unterschriebenen und den Grundbuchgeometer gezeichneten Situationsplan führt das Fuss- und Fahrwegrecht über das belastete Grundstück Y, um direkt und ohne Rücksicht auf den Standort der Garage auf dem Grundstück X auf dieses Grundstück X abbiegen zu können. Gestützt auf die Erscheinung des vorliegenden Fuss- und Fahrwegrechts und aufgrund der Bezeichnung im Grundbuch als Zugangs- und Zufahrtsrecht von 3 m Breite bestätigte das Bundesgericht in Abweichung des vorgenannten Situationsplans die Auffassung der Vorinstanz, wonach offenkundig sei, dass es den Eigentümern des Grundstücks X möglich sein müsse, ihre Garage zu erreichen, d.h. in diese mit einem Auto hineinzufahren und einzuparkieren. Der Umfang und Verlauf des Wegrechts entsprach laut Bundesgericht im zu beurteilenden Fall somit seiner tatsächlichen Erscheinung.

Empfehlung: Vor dem Erwerb eines mit einer Dienstbarkeit belasteten Grundstücks sollten allfällige Differenzen zwischen dem im Grundbuch hinterlegten Situationsplan und der tatsächlichen Erscheinung der Dienstbarkeit geklärt werden und falls nötig im Grundbuch präzisiert werden.

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